Zitat
§ 65 VwGO
(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung).
Die notwendige Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO verfolgt das Ziel, dass abweichende Entscheidungen für den identischen Streitgegenstand vermieden werden.
Voraussetzungen:
- Anhängigkeit eines Rechtsstreits
- Beiladungsfähigkeit
- Entscheidung kann gegenüber Beizuladenden nur einheitlich ergehen
1. Voraussetzungen
Wie bei der einfachen Beiladung muss auch bei der notwendigen Beiladung der Rechtsstreit anhängig und der Dritte beteiligtenfähig sein. Allerdings genügt nun nicht mehr, dass die rechtlichen Interessen des Dritten berührt werden, sondern der Dritte muss an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sein, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Einheitlich heißt in diesem Fall nicht, dass die Entscheidung inhaltlich gleich ergehen muss. Die Einheitlichkeit liegt vielmehr vor, wenn die von Klägerseite begehrte Sachentscheidung gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig Rechte des Dritten (Beizuladenden) gestaltet, bestätigt, feststellt, verändert oder aufhebt (BVerwG, Beschl. v. 21.6.2021 – 9 A 13.20, juris).
Zitat
BVerwG (Beschl. v. 27.9.1995 – 3 C 11.94, juris): "Nur wenn das Ergebnis des Rechtsstreits für einen Dritten möglicherweise belastend sein kann, weil es seine Rechtsstellung in irgendeiner Weise beeinträchtigt, besteht vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG die Notwendigkeit, den Dritten zwingend am Verfahren zu beteiligen."
2. Verfahren und Entscheidung des Gerichts
Im Falle einer notwendigen Beiladung besteht für das Gericht kein Ermessensspielraum. Vielmehr ist der Dritte zwingend beizuladen. Hinsichtlich der sonstigen Abläufe kann auf die Ausführungen zur einfachen Beiladung verwiesen werden.
3. Rechtsfolgen
§ 66 S. 2 VwGO erweitert die prozessualen Möglichkeiten des notwendig Beigeladenen insoweit, als dass dieser zusätzlich zu den Möglichkeiten nach § 66 S. 1 VwGO Sachanträge stellen kann, die von denjenigen der Hauptbeteiligten abweichen. Damit steht der notwendig Beigeladene den Hauptbeteiligten – dem Kläger und dem Beklagten – hinsichtlich der prozessualen Verfügungsgewalt über den Streitgegenstand gleich.
Eine weitere Besonderheit der notwendigen Beiladung besteht in Bezug auf das Ruhen des Verfahrens. Das Ruhen kann nur mit Zustimmung des Beigeladenen erfolgen.
4. Beispielsfälle der notwendigen Beiladung
Bei einer Anfechtungsklage ist der Dritte immer dann notwendig beizuladen, wenn die klägerseits erstrebte Aufhebung des Verwaltungsakts den Dritten unmittelbar rechtlich beschwert. Dies ist insb. dann der Fall, wenn sich die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung richtet. Die Doppelwirkung des Verwaltungsakts zeigt sich darin, dass der Kläger durch diesen belastet und der beizuladende Dritte begünstigt wird.
Bei einer Verpflichtungsklage ist der Dritte dann notwendig beizuladen, wenn der Kläger die Verpflichtung des Beklagten begehrt, gegen einen bestimmten Dritten einen diesen belastenden Verwaltungsakt zu erlassen. Gleiches gilt, wenn der erstrebte Verwaltungsakt zugleich den Kläger begünstigt und den Dritten belastet (BVerwG, Beschl. v. 29.7.2013 – 4 C 1.13, juris).
Bei der Feststellungsklage ist ein Dritter notwendig beizuladen, wenn er an dem Rechtsverhältnis, um dessen Feststellung gestritten wird, unmittelbar beteiligt ist. Bei der Leistungsklage ist derjenige notwendig beizuladen, der von den Auswirkungen der begehrten Leistung oder Unterlassung materiell getroffen wird.
Konkrete Beispiele:
a) |
Eine erhebliche praktische Relevanz der notwendigen Beiladung findet sich erneut im Baurecht. Dabei ist die Baugenehmigung das Paradebeispiel eines Verwaltungsakts mit Doppelwirkung, der den Bauherrn begünstigt und den Nachbarn gleichzeitig belastet. Ficht nun der Nachbar die Baugenehmigung an, so ist der Bauherr notwendig beizuladen. In der Situation der Verpflichtungsklage, in der ein Nachbar ein (bau-)ordnungsbehördliches Einschreiten gegen den Bauherrn als Adressaten des begehrten Verwaltungsakts begehrt, ist der Bauherr notwendig beizuladen, da die Gestaltungswirkung eines zusprechenden Tenors in dessen Rechte hineinwirkt (BVerwG, Beschl. v. 6.5.1992 – 4 B 139.91, juris). |
b) |
Der Anlagenbetreiber bei der Anfechtungsklage des Nachbarn gegen eine gewerbe-, gaststätten-, immissionsschutz- oder wasserrechtliche Genehmigung ist notwendig beizuladen. |
c) |
Im beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit des unterlegenen Bewerbers, der die Ernennung des ausgewählten Konkurrenten vorläufig untersagen lassen will, ist der Konkurrent notwendig beizuladen (BVerwG, Urt. v. 21.8.2003 – 2 C 14.02, juris). |
d) |
Auf die Konkurrentenklage eines nicht berücksichtigten Bewerbers gegen die Vergabe der Güterfernverkehrsgenehmigung an einen Dritten ist der Dritte notwendig beizuladen (BVerwG, Urt. v. 2.9.1983 – 7 C 97.81 – juris). Gleiches gilt für die vergleichbare Situation nach dem PBefG (z.B. Taxikonzession). |
e) |
Bei einer Klage gegen eine Wahlprüfungsentscheidung,... |