(LG Frankfurt a.M., Urt. v. 8.4.2022 – 2-03 O 188/21) • Die Bundestagsabgeordnete Renate Künast hat einen Anspruch darauf, dass eine bestimmte Wort-Bild-Kombination (sog. Meme) mit einem ihr untergeschobenen Falschzitat auf Facebook gesperrt wird. Auch Varianten dieses Memes mit kerngleichem Inhalt muss das soziale Netzwerk ohne erneuten Hinweis auf die jeweilige URL löschen. Der Politikerin steht wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts außerdem ein Schmerzensgeldanspruch gegen die Betreiberin von Facebook zu. Bei der Bemessung der Geldentschädigung dürfen auch präventive Gesichtspunkte eine Rolle spielen, wenn sich der Hostprovider lange geweigert hatte, das Falschzitat zu löschen und so der stetigen Verbreitung des Memes im Internet Vorschub geleistet hat. Hinweis: Dieser Fall zeigt exemplarisch, wie schwer es für Betroffene ist, das Netz von Falschzitaten zu befreien, obwohl deren Gemeinschädlichkeit auf der Hand liegt. Trotz Kenntnis der Beklagten von dem Falschzitat, weigerte sie sich, ihre Plattform davon umfassend zu befreien. Ein Hostprovider kann sich nicht mit der Begründung, eine möglichst offene, öffentliche Debatte über gesellschaftsrelevante Themen ermöglichen zu wollen, hinter seinen Prüfungs- und Handlungspflichten zurückziehen. Insbesondere unter den Bedingungen der Verbreitung von Informationen durch soziale Netzwerke im Internet liegt ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Amtsträgerinnen und Amtsträgern sowie Politikerinnen und Politikern über die Bedeutung für die jeweils Betroffenen hinaus im öffentlichen Interesse. Eine Bereitschaft zur Mitwirkung inâEUR™Staat und Gesellschaft kann nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlichâEUR™einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist (BVerfG, Beschl. v.âEUR™19.12.2021 – 1 BvR 1073/20). Dies gilt insb. für den Schutz vor Fehlzitaten. Es gibt schlicht keine Rechtfertigung für das Verbreiten von Falschzitaten. Diese in diesem Verfahren geäußerte Position der Beklagte zeigt deutlich, dass sie verkennt, dass Falschzitate regelmäßig schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen begründen. Sie verdeutlicht ebenfalls, wie schwer es für den Betroffenen ist, sich gegen Falschzitate zu wehren, wenn selbst die Beklagte rechtsanwaltlich vertreten der Auffassung ist, dass "das zugrundeliegende, echte Zitat der Klägerin jedenfalls in eine vergleichbare Richtung geht". Aus diesem Grund hat das LG Frankfurt der Geldentschädigung eine nicht unerhebliche präventive Rolle beigemessen. Die der Klägerin zugebilligte Geldentschädigung soll die Beklagte auch dazu anhalten, entsprechende Falschzitate künftig unverzüglich und umfassend zu löschen, sobald sie – durch den/die Betroffene/n oder auf andere Weise – Kenntnis davon erlangt, dass diese (offensichtlich) rechtswidrig sind, wovon bei Falschzitaten, wie dem hier Streitgegenständlichen, grds. ausgegangen werden kann.
ZAP EN-Nr. 395/2022
ZAP F. 1, S. 667–667