Nach § 35 Abs. 1 S. 1 AufenthG ist einem minderjährigen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach’dem 6. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes besitzt, abweichend von § 9 Abs. 2 AufenthG eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er im Zeitpunkt der Vollendung seines 16. Lebensjahrs seit fünf Jahren im Besitz der Aufenthaltserlaubnis ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer volljährig und seit fünf Jahren im Besitz der Aufenthaltserlaubnis ist, er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und sein Lebensunterhalt gesichert ist oder er sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder einem Hochschulabschluss führt (§ 35 Abs. 1 S. 2 AufenthG). § 35 Abs. 3 S. 1 AufenthG schließt den (gebundenen) Anspruch auf Erteilung der Niederlassungserlaubnis nach Abs. 1 u.a. dann aus, wenn der Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch gesichert ist, es sei denn, der Ausländer befindet sich in einer Ausbildung, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss führt. Auch in diesem Fall kann aber gem. § 35 Abs. 3 S. 2 AufenthG nach pflichtgemäßem Ermessen die’Niederlassungserlaubnis erteilt oder die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden. Diese Rechtsgrundlage für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis kommt nach dem Regelungszusammenhang bei ungesichertem Lebensunterhalt nur zur Anwendung, wenn der Antragsteller noch unter die für minderjährige Ausländer getroffene, stärker privilegierende Regelung des § 35 Abs. 1 S. 1 AufenthG fällt. Denn die durch § 35 Abs. 3 AufenthG in der Sache bewirkte Rückstufung des gebundenen Anspruchs auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zu einem Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung über die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis setzt einen sonst gegebenen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis voraus, der in den Fällen des § 35’Abs. 1 S. 2 AufenthG aber schon tatbestandlich entfällt, wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert ist und der Ausländer sich auch nicht in einer Ausbildung befindet.
Das BVerwG stellt in seinem Urt. v. 15.8.2019 (1 C 23.18, FamRZ 2019, 1900 = NVwZ 2019, 1762 ff. = InfAuslR 2019, 432 ff.) heraus, dass Ausländer, die bei Vollendung des 16. Lebensjahrs bereits seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen gewesen sind, einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis unter den erleichterten Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 S. 1 AufenthG nur hätten, solange sie noch minderjährig seien. Mit Eintritt der Volljährigkeit richte sich die Erteilung grds. auch in diesen Fällen nach den strengeren Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 S. 2 AufenthG.