Die Bundesrechtsanwaltskammer hat kürzlich auf eine interessante Entscheidung des BGH zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufmerksam gemacht. Danach müssen Rechtsanwälte keine aussichtslosen Fristverlängerungsanträge stellen (BGH, Beschl. v. 27.5.2021 – III ZB 64/20).
Der Fall: Eine Berufungsbegründungsfrist war auf Antrag der Anwältin der Beklagten bereits einmal verlängert worden. Zwischenzeitlich bestellten sich aber neue Prozessbevollmächtigte für die Beklagte, die – mit Zustimmung der Klägerin – beantragten, die Berufungsbegründungsfrist wegen Urlaubs des Anwalts erneut zu verlängern. Das Gericht lehnte ab: Man dürfe keinen neuen Anwalt beauftragen, wenn dieser dann erst einmal in Urlaub gehe. Die Berufungsbegründung ging dann, verfasst von der ursprünglichen Anwältin der ersten Instanz, kurz nach Fristablauf nachts um 3:30 Uhr beim Berufungsgericht ein. Die Kollegin begründete das in ihrem Wiedereinsetzungsantrag damit: um 23 Uhr habe sich herausgestellt, dass ihr Drucker unvorhersehbar defekt sei. Bis ihr Bruder mit einem Ersatzdrucker von Bielefeld nach Münster gekommen sei, sei es schon 2.45 Uhr gewesen.
Aus Sicht des BGH-Senats reicht das in der Sache für eine Wiedereinsetzung. Die Partei müsse sich nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hatte, darauf verweisen lassen, dass ihre Anwältin zuvor eine Fristverlängerung hätte beantragen müssen. Die Vorgänge rund um die neu beauftragte Kanzlei erklärt der BGH zunächst für unbeachtlich: Nachdem das Gericht den Verlängerungsantrag abgelehnt hatte, sei die ursprüngliche Anwältin wieder beauftragt worden. Dass die neuen Bevollmächtigten ihrerseits hätten sicherstellen müssen, dass sie die Frist einhalten können, spiele für ihren Wiedereinsetzungsantrag keine Rolle, so der Senat.
Die Bundesrichter stellen nur auf die ursprüngliche und nun wieder mandatierte Anwältin ab und stellen fest: Wenn ohnehin keine Fristverlängerung mehr möglich ist, muss man sich auch nicht darauf verweisen lassen, dass man statt eines zu späten Wiedereinsetzungsantrags zuvor einen Fristverlängerungsantrag hätte stellen müssen. Es gab also keinen Grund für die ursprünglich mandatierte Anwältin, unter irgendeinem Aspekt anzunehmen, dass ein Fristverlängerungsantrag Erfolg haben könnte. Also musste sie auch keinen Fristverlängerungsantrag stellen und somit durfte das Berufungsgericht auch nicht die Wiedereinsetzung ablehnen, weil sie das nicht getan hatte.
[Quellen: BRAK/BGH]