Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte diese Kolumne mit folgender Frage eröffnen: Führen Sie viele Mandate als beigeordnete Prozessbevollmächtigte?
Nein? Dann haben Sie mit Ihren zahlungskräftigen Mandanten Glück. Wenn Sie aber vermehrt Beratungs- und Prozesskostenhilfemandate betreuen, stellt ein arbeitsaufwändiges Prozesskostenhilfemandat eigentlich eine betriebswirtschaftliche Katastrophe dar. Denn ab Gegenstandswerten von über 4.000 EUR stagniert der Gebührenanspruch des beigeordneten Anwalts nahezu. Wegen der Bestimmung des § 49 RVG dürften daher bei dem einen oder anderen Kollegen, der ein vermeintlich lukratives Mandat in den Händen wähnte, was sich später aber als PKH-Verfahren herausstellte, innerlich schon etliche bittere Tränen geflossen sein.
Zudem sind Prozesskostenhilfemandate i.d.R. über Gebühr zeitaufwändig. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass kaum ein PKH-Berechtigter in der Lage ist, den für die Gewährung von Prozesskostenhilfe notwendigen komplexen Fragebogen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eigenständig und ohne Hilfe auszufüllen. Oft sitze ich gemeinsam mit der meist nicht studierten und oft nur unzureichend Deutsch sprechenden Mandantschaft samt Ausfüllhinweisen über dem Fragebogen, um alles richtig zu machen. Ist der PKH-Antrag dann mit den Anlagen vollständig und endlich bei Gericht eingereicht, geht es in das Verfahren. Wenn man Glück hat, wird Prozesskostenhilfe auch tatsächlich bewilligt.
Vorsicht ist allerdings dann angebracht, wenn man als Prozessbevollmächtigter einen Vergleich schließt. Hier ist insbesondere darauf zu achten, dass nicht vergessen wird, den Zusatzantrag rechtzeitig zu stellen und die Beiordnung auf mitverglichene nicht rechtshängige Ansprüche zu erstrecken. Sonst gibt es für diesen Mehrvergleich nicht einmal eine Einigungsgebühr!
Wussten Sie übrigens, dass in München die Lebensverhältnisse für Anwälte mit PKH-Mandaten schlechter sind als anderswo? In München sind nicht nur die Mieten wesentlich teurer als woanders, es gibt auch deutlich weniger vom Staat.
Früher wurde von den Gerichten mehrheitlich geurteilt, dass schon der Antrag, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf den Abschluss eines Mehrvergleichs zu erstrecken, eine erhöhte Einigungsgebühr (nach Nr. 1000 VV RVG) ausschließe. Es käme grundsätzlich immer nur die 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 VV RVG zur Anwendung. Begründung: Die Gerichte müssten ja grundsätzlich immer prüfen, ob die Voraussetzungen für PKH auch für den Abschluss des Mehrvergleichs vorliegen und würden damit „in Anspruch genommen“. Was früher dabei aber übersehen wurde: Eine fehlende Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Mehrvergleichs ist keine Tatbestandsvoraussetzung des Nr. 1000 VV RVG (so der BGH, Beschl. v. 17.9.2008 – IV ZB 14/08).
Die Rechtsprechung der Gerichte hat sich in den vergangenen zehn Jahren gewandelt: Für den Mehrvergleich erhält auch der PKH-Anwalt jetzt grundsätzlich eine 1,5 Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 VV RVG (s. Dorndörfer, Kostenhilferecht für Anfänger, 6. Aufl. 2014, S. 34, Rn 39). Das wird auch in der überwiegenden Rechtsprechung so vertreten (vgl. LAG Düsseldorf, Beschl. v. 25.9.2014 – 5 Sa 273/14; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 13.10.2014 – 13 Ta 342/14; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.4.2016 – 5 Ta 118/15 (anders noch: LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 7.9.2010 – 5 Ta 132/10); LAG Hamm, Beschl. v. 16.9.2015 – 6 Ta 419/15 (anders noch: LAG Hamm, Beschl. v. 31.8.2007 – 6 Ta 402/07).
Aber entscheiden die Gerichte in ganz Deutschland einheitlich über die Höhe der gesetzlichen Prozesskostenhilfe? Erhalten alle Anwälte bundeseinheitlich die gleiche gesetzliche Vergütung aus der Staatskasse?
Nein! Um es in die Worte eines allseits bekannten Comics zu fassen: Es gibt immer noch das eine oder andere von unbeugsamen LAG-Richtern (ohne Herz für PKH-Anwälte) bevölkerte Dorf, das nicht aufhört, dem Eindringen der 1,5 Einigungsgebühr Widerstand zu leisten. Als Münchener Anwalt beispielsweise bekommt man von den Bezirksrevisoren und den darauf aufbauenden – sich selbst zitierenden – Kostenbeschlüssen der Münchener Arbeitsgerichtsbarkeit regelmäßig zu lesen: „Das Landesarbeitsgericht München sieht trotz gegenteiliger Auffassung anderer Landesarbeitsgerichte keine Veranlassung seine bisherige Rechtsprechung (LAG München, Beschl. v. 19.6.2017 – 6 Ta 123/17 u. 6 Ta 167/17; Beschl. v. 22.12.2016 – 6 Ta 314/16; Beschl. v. 2.11.2016 – 6 Ta 287/16; Beschl. v. 17.3.2009 – 10 Ta 394/07; Beschl. v. 15.4.2008 – 10 Ta 237/06; Beschl. v. 7.6.2005 – 10 Ta 244/05) zu ändern.“
Jegliche Beschwerde: sinn- und fruchtlos! Jüngst habe ich im Rahmen einer vor der 42. Kammer des Arbeitsgerichts München geführten Kündigungsschutzklage abseits des Gütetermins die vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreits – unter Einschluss bisher nicht rechtshängiger Gegenstände – mit der Prozessvertreterin der Gegenseite vereinbart und es wurde Vergleichsfeststellung beantragt. In dieser Konstellation befürworte...