1 Neuregelungen im August
Die gesetzlichen Neuregelungen der vergangenen Wochen betreffen vorwiegend den Energiesektor, v.a. den angespannten Gasmarkt. Die übrigen Neuerungen dienen der Stärkung der Frauenrechte, der Anhebung des BAföG sowie der Verbesserung der Verkehrs- und Lebensmittelsicherheit. Im Einzelnen:
Sicherung der Gasversorgung
Bereits am 12. Juli in Kraft getreten ist eine Änderung des Energiesicherungsgesetzes, mit der "flexibel auf den angespannten Gasmarkt" reagiert werden soll. Konkret geht es darum, die gestiegenen und möglicherweise weiter steigenden Gaspreise an die Verbraucher weitergeben zu können und damit die unter Druck geratenen Energieunternehmen zu stabilisieren.
Entkoppelung der Stromproduktion
Mit der sog. Stromangebotsausweitungsverordnung, die bereits am 14. Juli in Kraft getreten ist, wird die Möglichkeit geschaffen, Kohle und Öl für die Erzeugung von Strom zu nutzen und damit Gas zu sparen. Dafür kehren nun Kraftwerke aus der Netzreserve befristet bis zum 30.4.2023 zurück an den Strommarkt.
Ausbau des Stromnetzes
Mit der am 29. Juli in Kraft getretenen Novelle des Energiewirtschaftsrechts wird neben dem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien der entsprechende Ausbau der Stromnetze vorangetrieben. Damit sollen Engpässe in der Stromversorgung beseitigt und der zunehmend grenzüberschreitende Stromhandel ausgebaut werden.
Füllung der Gasspeicher
Mit einer Ministerverordnung vom 29.7.2022 wurden die Vorgaben für die Füllstände der deutschen Gasspeicher weiter erhöht. Danach wird den Betreibern der Speicher vorgegeben, zum 1. Oktober einen Füllstand von 85 %, zum 1. November von 95 % und am 1. Februar 2023 immerhin noch 40 % zu gewährleisten.
Aufhebung des Werbeverbots für Abtreibungen
Durch die Aufhebung des § 219a StGB dürfen Ärztinnen und Ärzte nun wieder öffentlich darüber informieren, dass und mit welcher Methode sie Abtreibungen durchführen. Dadurch sollen Schwangere einfacher als bisher geeignete Ärztinnen oder Ärzte für eine Abtreibung finden können. Die Änderung ist am 19. Juli in Kraft getreten.
BAFöG-Sätze
Die BAFöG-Freibeträge wurden zum 1. August um 20,75 % angehoben, die Bedarfssätze um 5,75 %; der Wohnkostenzuschlag steigt auf 360 EUR. Zudem wurde die Altersgrenze von 30 Jahren bei Beginn der Ausbildung auf 45 Jahre angehoben. Die Änderungen wirken sich ebenfalls auf die Berufsausbildungshilfe, das Ausbildungsgeld und die Einstiegsqualifizierung aus.
Straßenverkehr: Abbiegeassistenten (autonomes Fahren)
Nach einer neuen EU-Verordnung (2019/2144) sind sog. Abbiegeassistenten seit dem 6. Juli dieses Jahres für neue Fahrzeugtypen und ab dem 7.7.2024 für alle neu zugelassenen Fahrzeuge Pflicht. Dies gilt für die Fahrzeugklassen M2, M3, N2 und N3, also für Busse und Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen zulässiger Gesamtmasse. Damit sollen die häufig tödlich verlaufenden Abbiegeunfälle mit Fußgängern und Radfahrern künftig verhindert werden.
Titandioxid in Lebensmitteln
Titandioxid (E171) wurde bislang verwendet, um Lebensmitteln eine weiße Farbe zu verleihen, etwa Suppen, Soßen und Dressings. Aufgrund neuerer Studien ist die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit der Auffassung, dass E171 als Lebensmittelzusatzstoff nicht mehr als sicher angesehen werden kann. Die EU hat deshalb die Verwendung von Titanoxid in Nahrungsmitteln ab dem 8. August verboten.
Masernschutzimpfung für Kinder
Seit dem 1. August müssen alle Kinder nachweisen können, dass sie gegen Masern geimpft sind, wenn sie eine Schule oder Kita besuchen. Dies sieht das Masernschutzgesetz vor, das bereits im März 2020 in Kraft getreten ist. Am 31.7.2022 endete die im Gesetz enthaltene Übergangsfrist für diejenigen, die am 1.3.2020 bereits eine Kita oder Schule besuchten.
[Quelle: Bundesregierung]
2 BRAO-Reform: Neue Berufsausübungsgesellschaft und beA-Gesellschaftspostfach
Anfang August ist die sog. Große BRAO-Reform in Kraft getreten. Mit ihr werden die freien Berufe jetzt sozietätsfähig und für die Anwaltschaft sind nun alle Gesellschaftsformen eröffnet. Die reformierte BRAO ändert die Perspektive: Sie hat nicht mehr primär den einzelnen Berufsträger oder die Berufsträgerin im Blick, sondern geht von der Berufsausübungsgesellschaft als zentraler Organisationsform aus.
Diese bekommt ein eigenes besonderes elektronisches Anwaltspostfach (sog. Gesellschaftspostfach), das die elektronische Signatur für zugehörige Anwältinnen und Anwälte überflüssig machen kann (s. dazu auch unten S. 818). Die Berufsausübungsgesellschaft muss zudem eine Pflichtversicherung abschließen. Damit unterliegen die Berufsausübungsgesellschaften und die Mitglieder ihrer Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane künftig auch den anwaltlichen Berufspflichten. Die Anwaltskammern können sie rügen und die Anwaltsgerichte Maßnahmen gegen sie verhängen, wenn eine Leitungsperson schuldhaft gegen Berufspflichten verstößt.
Wenn sie nicht bereits zugelassen sind, benötigen Berufsausübungsgesellschaften eine Zulassung von der Anwaltskammer, die Übergangsfrist hierfür läuft bis zum 1.11.2022. Keine Zulassung brauchen – auch wenn sie diese beantragen können – nu...