Das anwaltsrechtliche Fremdbesitzverbot steht derzeit gleich in zweifacher Hinsicht im Blickpunkt von Berufsrechtlern: Zum einen liegt derzeit beim EuGH ein Vorlageverfahren aus Deutschland (zu Einzelheiten s. ZAP 2023, 468); zum anderen prüft das Bundesjustizministerium unabhängig von dem Verfahren in Luxemburg Lockerungen in diesem Bereich. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hält die beim EuGH anhängige Vorlage zum Fremdbesitzverbot für „eines der der wichtigsten berufsrechtlichen Verfahren der letzten Jahrzehnte”. Je nach Ausgang des Verfahrens in Luxemburg und auch der Überlegungen im BMJ sieht sie sogar „die Zukunft des Anwaltsmarktes auf dem Prüfstand”.
Das sog. Fremdbesitzverbot ist nach Auffassung der BRAK eine essenzielle Regelung für die Unabhängigkeit der Rechtsanwaltschaft. Die Regelung unterbinde, dass sich Investoren, die nicht an das anwaltliche Berufsrecht gebunden sind, an einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft beteiligen könnten. Dadurch solle sichergestellt werden, dass die anwaltliche Beratung und Vertretung unabhängig von wirtschaftlichen Interessen und Einflüssen Dritter erfolgen könne.
Die BRAK lehnt deshalb den Zugang derartiger Dritter zu Anwaltsgesellschaften strikt ab. Sie ist der Auffassung, dass Fremdbeteiligungen „zu einer strukturellen Konfliktlage führen” können. Die Kammer verweist u.a. darauf, dass die Möglichkeit einer Beteiligung am prominentesten aus den Kreisen der „Legal-Tech”-affinen Kanzleien und Legal-Tech-Anbieter geäußert werden, die argumentieren, dass nur so die notwendigen technischen Investitionen gestemmt werden könnten. Von einer berufsrechtlichen Änderung in diesem Bereich würden besonders auch die Rechtsschutzversicherer und Prozessfinanzierer profitieren, die eine Öffnung bereits seit Jahren fordern. Für sie wäre es höchst attraktiv, ihre Wertschöpfungsketten durch eine Beteiligung an Anwaltskanzleien zu verlängern. Anwaltshonorare wären dann etwa für Versicherer kein reiner Schadensaufwand mehr, sondern auch Teil des Unternehmensgewinns.
Interessenkonflikte und Einflussnahmen auf die Prozessführung wären daher greifbare Gefahren, befürchtet die BRAK. Denn dass ein Investor vorrangig an Rendite - mind. am Ausbleiben von Verlusten - interessiert sei und weniger am Zugang zum Recht, liege auf der Hand. Wegen der enormen Auswirkungen auf die Anwaltschaft sei es notwendig, die Diskussion um das Fremdbesitzverbot jetzt zu führen, fordert der Präsident der BRAK, Dr. Ulrich Wessels (mehr zu dem Thema auch in den aktuellen BRAK-Mitteilungen, Heft 4/2023).
[Quelle: BRAK]