Zusammenfassung
- Ein Umgangsrecht kann dem leiblichen Vater auch im Fall der sog. privaten Samenspende zustehen (Fortführung von Senatsurt. v. 15.5.2013 – XII ZR 49/11, BGHZ 197, 242 = FamRZ 2013, 1209 und Senatsbeschl. v. 18.2.2015 – XII ZB 473/13, FamRZ 2015, 828).
- Die von § 1686a Abs. 1 BGB vorausgesetzte anderweitige rechtliche Vaterschaft muss nicht durch gesetzliche Abstammung, sondern kann auch durch Adoption begründet worden sein. Das gilt entsprechend, wenn das Kind im Wege der Stiefkindadoption von der eingetragenen Lebenspartnerin oder Ehefrau der Mutter angenommen wurde.
- Die Einwilligung des leiblichen Vaters in die Adoption schließt das Umgangsrecht nur aus, wenn darin gleichzeitig ein Verzicht auf das Umgangsrecht zu erblicken ist. Daran fehlt es jedenfalls dann, wenn das Kind nach Absprache der Beteiligten den leiblichen Vater kennenlernen und Kontakt zu ihm haben sollte. Die rechtliche Unverbindlichkeit einer entsprechenden Vereinbarung steht dem nicht entgegen.
- Ob und in welchem Umfang ein Umgang zu regeln ist, ist danach zu beurteilen, ob der leibliche Vater ein ernsthaftes Interesse am Kind gezeigt hat und inwiefern der Umgang dem Kindeswohl dient (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 5.10.2016 – XII ZB 280/15, BGHZ 212, 155 = FamRZ 2016, 2082). Dabei hat der leibliche Vater das Erziehungsrecht der rechtlichen Eltern zu respektieren, ohne dass dieses als solches die Eltern zur Verweigerung des Umgangs berechtigt (Fortführung der Senatsbeschl. v. 27.11.2019 – XII ZB 512/18, FamRZ 2020, 255 und v. 12.7.2017 – XII ZB 350/16, FamRZ 2017, 1688).
(amtlicher Leitsatz)
BGH, Beschl. v. 16.6.2021 – XII ZB 58/20 (s. ZAP EN-Nr. 450/2021)
I. Einleitung und Sachverhalt
Die Entscheidung des BGH betrifft den Umgangsantrag eines Mannes, der privat Samen an eine Frau gespendet hat. Später wurde das im Jahr 2013 geborene Kind mit Einwilligung des Mannes von der Lebenspartnerin der Mutter adoptiert. Dem Kind war die Vaterschaft des Mannes bekannt; bis 2018 hatten auch Umgangskontakte im Haushalt der rechtlichen Eltern stattgefunden. Den Wunsch des Vaters auf Ausweitung der Umgangskontakte hatten die Eltern abgelehnt. Der Kontakt ist daraufhin abgebrochen. Der vom Vater gestellte Umgangsantrag blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos, da es keine Rechtsgrundlage gäbe (KG Berlin, Beschl. v. 19.12.2019 – 13 UF 120/19, FamRZ 2020, 1271).
Der BGH bejaht dagegen einen Anspruch nach § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB. Der leibliche Vater, der ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat, hat demnach ein Recht auf Umgang mit dem Kind. Allerdings muss der Umgang dem Kindeswohl dienen. Es spiele keine Rolle, dass das Kind mithilfe einer privaten Samenspende gezeugt wurde. Auch gebe es keinen sachlichen Unterschied zwischen einer Stiefkindadoption durch den Ehemann der Mutter und durch die Lebenspartnerin oder Ehefrau der Mutter. Ebenso sei unerheblich, dass der Vater in die Adoption eingewilligt hat. Das schließe ein Umgangsrecht nur dann aus, wenn in der Einwilligung zugleich ein Verzicht auf das Umgangsrecht enthalten sei.
Ob und in welchem Umfang der Umgang geregelt werden muss, richte sich dabei nach dem gezeigten Interesse des leiblichen Vaters an dem Kind sowie am Kindeswohl. Der leibliche Vater müsse dabei das Erziehungsrecht der rechtlichen Eltern respektieren.
Die komplexe Interessenlage muss nun das Kammergericht austarieren, an das der BGH den Fall zurückverwiesen hat, um auch erneut die Beteiligten und nunmehr auch das inzwischen siebenjährige Kind persönlich anzuhören.
II. Analyse des BGH-Beschlusses
Als rechtliche Grundlage für das beantragte Umgangsrecht des Kindesvaters kommen verschiedene Normen in Betracht.
1. Rechtsgrundlagen
§ 1684 Abs. 1 BGB gewährt jedoch nur den Eltern ein Umgangsrecht.
Die Ansicht, dass in der vorliegenden Fallkonstellation von einer dreifachen Elternschaft auszugehen sei und ein Umgangsrecht nach § 1684 Abs. 1 BGB nicht verneint werden könne, steht – so der BGH – mit der geltenden Gesetzeslage nicht im Einklang. Dem trägt das Gesetz Rechnung, indem es mit den §§ 1685 Abs. 2 und 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB geeignete Grundlagen für ein Umgangsrecht auch ohne rechtliche Elternstellung vorsieht.
Auch ein auf § 1685 Abs. 2 BGB gestütztes Umgangsrecht besteht nicht.
§ 1685 Abs. 1 und 2 BGB setzt dafür voraus, dass die enge Bezugsperson des Kindes für dieses tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat (sozial-familiäre Beziehung). Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung ist i.d.R. anzunehmen, wenn die Person mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.
Ausreichend ist dabei, dass diese Person für das Kind in der Vergangenheit tatsächlich Verantwortung getragen hat und für dieses jedenfalls in der Vergangenheit eine enge Bezugsperson war. Die Übernahme tatsächlicher Verantwortung kann auch erfolgen, indem der Vater etwa wesentliche Betreuungsleistungen für das Kind erbringt, ohne mit diesem dauerhaft in einem Haushalt zu leben. An einer sozial-familiäre Beziehung fehlt es hier.
Das Umgangsrecht ergibt sich jedoch aus § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB.
Danach hat der leibliche Vater, d...