Die DAV-Präsidentin, Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann, hat bereits zu Jahresbeginn Überlegungen dazu angestellt, welche Digitalisierungsprojekte aus Sicht der Anwaltschaft für eine positive Zukunft des Zivilprozesses wichtig sind. Die Anregungen zu den auf bestehenden gesetzlichen Vorgaben beruhenden Digitalisierungsprojekten sind an dieser Stelle nicht relevant. Ein wichtiger Punkt ist jedoch die Forderung, dass die von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten über den elektronischen Rechtsverkehr eingereichten elektronischen Schriftsätze künftig auch digital weiterverarbeitet werden können. Frau Kindermann fordert, dass sämtliche Unterlagen bei der Stellung von Anträgen auf Prozesskostenhilfe (und Verfahrenskostenhilfe) sowie Beratungshilfe online hochgeladen werden können (Kindermann, AnwBl 2023, 70, 71).

Diese Forderung ist begrüßenswert und es bleibt zu hoffen, dass sie in Kürze umgesetzt wird. Insbesondere die aktuelle Situation, in der Unsicherheit darüber herrscht, ob einzelne Richter verlangen, dass die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen per Post nachgesandt wird, ist unbefriedigend und sollte schnellstmöglich behoben werden.

Ebenfalls begrüßenswert und wohl auch zeitnah umzusetzen ist die Forderung, für die Bearbeitung einfacher Kostenfestsetzungsanträge Künstliche Intelligenz (KI) zu nutzen (Kindermann, AnwBl 2023, 70, 71). Hierzu müssten die für die Kostenberechnung relevanten Daten – ggf. sogar automatisch – in der elektronischen Akte markiert und der Antrag in maschinenlesbarer – am besten strukturierter Form – eingereicht werden. Die Überprüfung einfacher Fälle könnte dann automatisiert werden.

Mit der Umsetzung des beschleunigten (zivilrechtlichen) Online-Verfahrens (Kindermann, AnwBl 2023, 70, 73) hat das BMJ bereits begonnen. Es hat den DigitalService des Bundes beauftragt, die erste Projektphase eines zivilgerichtlichen Online-Verfahrens umzusetzen. Diese Phase lief bis Ende Februar 2023. Sie beinhaltete eine enge Beteiligung der gerichtlichen Praxis und hatte das Ziel, geeignete Anwendungsbereiche zu identifizieren (zu näheren Informationen s. V. Rosenstiel, AnwBl 2023, 97 ff.).

Inspiration für das weitere Vorgehen mag das Civil Resolution Tribunal (CRT) der kanadischen Provinz British Columbia geben (s. hierzu Biallaß in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 1, 2. Aufl. 2022, Kapitel 8 Rn 307 ff.). Hierbei sollte aber auch der dortige Fehler vermieden werden, die Anwaltschaft nicht früh genug einzubinden, die, wie die Positionierung von Frau Rechtsanwältin Kindermann zeigt, hierfür offen wäre.

Wie ist der Status Quo dieser Überlegungen?

Eine weitergehende Digitalisierung der Stellung von Anträgen auf Prozesskostenhilfe (und Verfahrenskostenhilfe) sowie Beratungshilfe durch Rechtsanwälte zeichnet sich aktuell nicht ab. Gemeinsam mit der DigitalService GmbH führt das BMJ jedoch ein Projekt zur „Digitalen Rechtsantragstelle” durch. Dort soll in einem ersten Schritt ein Minimum Viable Product (MVP) für die Stellung von Beratungshilfeanträgen entwickelt werden, das bereits in diesem Jahr an ausgewählten Pilotgerichten zum Einsatz kommen soll. Zielgruppe sind jedoch nicht Rechtsanwälte, sondern Bürger.

Die Arbeiten der DigitalService GmbH zur Umsetzung eines zivilgerichtlichen Online-Verfahrens schreiten ebenfalls voran. Auch hier sollen ausgewählte Pilotgerichte an der Erprobung mitwirken. Beide vorgenannten Projekte werden aus Mitteln der Digitalisierungsinitiative für die Justiz, ehemals Digitalpakt für die Justiz, finanziert.

Ein Projekt zur (Teil-)Automatisierung der Bearbeitung einfacher Kostenfestsetzungsanträge wurde – soweit ersichtlich – noch nicht begonnen. Hier könnte das BMJ vielleicht den notwendigen Anstoß geben, indem von § 130c ZPO Gebrauch gemacht wird und ein strukturiertes elektronisches Formular zur Stellung einfacher Kostenfestsetzungsanträge bereitgestellt wird. Werden die Daten hierdurch in strukturierter Form an die Gerichte übersandt, drängt sich ihre maschinengestützte Weiterverarbeitung auf und wird hoffentlich schnell Realität.

ZAP F., S. 873–874

Isabelle Biallaß, Richterin am AG, Essen/Köln

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