Zusammenfassung
Das am 1.11.2024 vollständig in Kraft tretende Artikelgesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 21.6.2024 mit dem Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) als dessen Art. 1 (SBGG, BGBl I Nr. 206; dazu Kraemer, MedR 2024, 17; Kruschke, NJOZ 2023, 992; Schmidt, NZFam 2024, 49; Schulz, IPRax 2024, 28) hebt das alte und vom BVerfG teilweise für verfassungswidrig erklärte Transsexuellengesetz (TSG) aus dem Jahre 1980 auf und schafft als einheitliche gesetzliche Neuregelung die Möglichkeit, dass vor dem Hintergrund einer Weiterentwicklung des medizinischen und gesellschaftlichen Verständnisses von Geschlechtsidentität, dem die bisher geltende Rechtslage nicht ausreichend Rechnung getragen habe (RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 9), transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen ihren Geschlechtseintrag und ihre(n) Vornamen durch Selbstauskunft gegenüber dem Standesamt ändern können.
I. Ziel des Gesetzes
1. Selbstbestimmte personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung und Vornamenwahl
Ziel des Gesetzes ist es nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SBGG zum einen, die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung und die Vornamenwahl von der Einschätzung Dritter zu lösen und die Selbstbestimmung der betroffenen Person zu stärken.
Anders als nach dem TSG wird die Zuordnung des Geschlechtseintrags nicht mehr von der Einschätzung von Gutachtern oder anderer dritter Personen abhängig gemacht. Vielmehr sind bei Personen, deren Geschlechtsidentität von ihrem Geschlechtseintrag abweicht, allein die Angaben der erklärenden Person für die Bestimmung des Geschlechtseintrags maßgeblich (RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 33). Dem Einzelnen wird die Möglichkeit eröffnet, die bei der Geburt erfolgte Eintragung zu ändern, „wenn und sobald sich herausstellt, dass diese in Widerspruch zur Geschlechtsidentität steht” (RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 33). Der Gesetzgeber leitet aus der Judikatur des BVerfG das Gebot ab, „den Personenstand des Menschen entsprechend seiner psychischen Konstitution und selbstempfundenen Geschlechtlichkeit zuzuordnen” (RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 34). Der vom Persönlichkeitsrecht geschützte Wunsch nach Ausdruck der eigenen Geschlechtsidentität umfasst nach der Reform „das Recht, in der gewählten Geschlechtsidentität mit passendem Vornamen angesprochen und anerkannt zu werden und sich nicht im Alltag Dritten oder Behörden gegenüber hinsichtlich einer Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister offenbaren zu müssen” (RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 34).
2. Recht auf Achtung und respektvolle Behandlung der Geschlechtsidentität
Zum anderen soll gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 SBGG das Recht jeder Person auf Achtung und respektvolle Behandlung in Bezug auf die (verfassungsrechtlich geschützte) Geschlechtsidentität verwirklicht werden. Jede Person, bei der der Geschlechtseintrag oder die Vornamen im Personenstandsregister nicht der Geschlechtsidentität entsprechen, kann diese Einträge ändern und anschließend entsprechend den geänderten Einträgen persönliche Dokumente selbstbestimmt, unbürokratisch und unter Achtung der Persönlichkeitsrechte anpassen lassen (RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 34).
3. Medizinische Maßnahmen
Hingegen regelt das Gesetz nach § 1 Abs. 2 SBGG nicht medizinische Maßnahmen. Erfolgen neben oder unabhängig von der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen auch körperliche Veränderungen, gelten hierfür (wie bisher) ausschließlich medizinische Regelungen und Leitlinien (RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 34).
II. Anwendungsbereich des Gesetzes
Hat eine Person nach Art. 7a Abs. 2 EGBGB deutsches Recht gewählt (s.u. XIII.), ist gem. § 1 Abs. 3 SBGG eine Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen nur zulässig, wenn sie als Ausländer ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hat (Nr. 1), eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich rechtmäßig im Inland aufhält (Nr. 2) oder eine Blaue Karte EU besitzt (Nr. 3). Damit erfolgt für Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit eine Einschränkung des deutschen Sachrechts dahingehend, dass nur solche mit rechtmäßigem Aufenthalt die Änderungserklärungen nach § 2 SBGG i.V.m. mit einer Rechtswahl nach Art. 7a Abs. 2 EGBGB abgeben dürfen (RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 34).
III. Verfahren zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen
1. (Vor-)Anmeldung beim Standesamt
Die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen ist nach § 4 S. 1 SBGG von der erklärenden Person drei Monate vor der Erklärung nach § 2 SBGG mündlich oder schriftlich beim zuständigen Standesamt anzumelden. In der Folge kann erst drei Monate (Überlegungs- und Reflexionsfrist, die nicht ernsthaft gemeinte Erklärungen verhindern und die Bedeutung der Änderungserklärung verdeutlichen soll, RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 40) nach der Voranmeldung die Änderungserklärung erfolgen. Wird nach der Anmeldung keine Erklärung abgegeben, werden im Personenstandsregister auch keine Angaben zum Geschlecht und zu den Vornamen geändert (RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 40). Die Anmeldung wird gem. § 4 S. 2 SBGG gegenstandslos, wenn die Erklärung nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Anmeldung abgegeben wird.
2. Erklärungen zum Geschlechtseintrag und zu den Vornamen
§ 2 SBGG regelt die materiellen Voraussetzungen der Ä...