Aus Sicht des Vermieters, der aufgrund von Mietrückständen eine fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen hat, welche er klageweise verfolgt ist, zu berücksichtigen, dass der sich Mietmängel berufene Wohnungsmieter durch eine kombinierte Anwendung des Mietminderungsrechts nach § 536 Abs. 1 BGB und der auf Mängelbeseitigung gestützten Zurückbehaltungsrechte aus § 320 BGB und § 273 BGB u.U. zur Zurückhaltung eines erheblichen Teil des Mietzinses berechtigt ist, so dass sowohl die fristlose als auch die ordentlich Kündigung unwirksam sein kann.
Auf der anderen Seite ist aus Mietersicht zu berücksichtigen, dass er das Prozessrisiko für den Bestand und die Höhe eines geltend gemachten Zurückbehaltungsrechtes trägt und sich im Regelfall nicht auf einen schuldlosen Rechtsirrtum berufen kann. Weiter ist aus Mietersicht zu berücksichtigen, dass die zurückbehaltene Miete spätestens mit Beendigung des Mietverhältnisses oder mit der Behebung der vorliegenden Mietmängel nach Zubilligung einer angemessenen Zahlungsfrist sofort in voller Höhe (wenn auch unverzinst) zurück zu zahlen ist. Der Mieter kann daher insbesondere nach beendetem Mietverhältnis nicht die Rückgabe der Räume oder des Grundstücks unter dem Gesichtspunkt verweigern, er habe noch Ansprüche z.B. aus einer Kautionszahlung gegen den Vermieter. Das ergibt sich sowohl für den Bereich der Wohnraummiete als auch für gewerbliche Mietverhältnisse unmittelbar aus dem Gesetz (§§ 570, 578 Abs. 1 BGB).
Abschließend ist zu berücksichtigen, dass dem Mieter u.U. auch noch die Möglichkeit einer Aufrechnung mit überzahlten Mieten für die Vergangenheit zur Seite stehen kann, welche – sofern ein aufrechenbarer Gegenanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB tatsächlich besteht und nicht an § 814 BGB scheitert – aufgrund von deren Rückwirkung gem. § 389 BGB dazu führt, dass die im Wege der Aufrechnung verknüpften Forderungen, soweit sie sich höhenmäßig decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie erstmals zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergestanden sind.
Praxistipp:
Eine solche Möglichkeit zur Aufrechnung für den Mieter kann sich regelmäßig dann ergeben, wenn ein Mietmangel besteht, der über einen längeren Zeitraum andauert. In einem solchen Fall wird der beratene Mieter die Miete nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung bezahlen und kann gegen eine auf Zahlungsverzug gestützte Vermieterkündigung neben § 536 Abs. 1 BGB und §§ 320, 273 BGB auch einwenden, dass er für weitere Monate zu viel Miete gezahlt habe, so dass er nunmehr mit seinem Gegenanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB aufrechne.
Autor: Richter am Amtsgericht Dr. Sven Caspers, München
ZAP F. 4, S. 1059–1068