Der – vorübergehend als Hilfsspruchkörper am BGH eingerichtete – VIa. Zivilsenat (vgl. PM Nr. 141/2021 v. 22.7.2021) hat am 26.6.2023 im Anschluss an die o.g. EuGH-Entscheidung in insgesamt drei Entscheidungen näher ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen Käufer von Dieselfahrzeugen den Ersatz eines Differenzschadens vom Kfz-Hersteller verlangen können (s.a. Schaub, NJW 2023, 2236 m.w.N.).
1. Die Sachverhalte der drei BGH-Entscheidungen
Der BGH ist auf der Sachverhaltsbasis der drei entschiedenen Fälle (s. nachfolgend a.-c.) von der bisherigen, restriktiveren Beurteilung der Schadensersatzhaftung der Kfz-Hersteller zumindest teilweise abgewichen. Dieser neuen Rechtsprechungslinie liegen die folgenden, durchaus für die o.g. Klagewelle typischen, Sachverhalte und Klagen zugrunde:
a) BGH, Urt. v. 26.6.2023 – VIa ZR 335/21: In dem Verfahren mit dem Az.: VIa ZR 335/21 (s. NJW 2023, 2259) verlangt der Kläger von der beklagten Volkswagen AG Schadensersatz wegen eines von ihr hergestellten Kfz (VW „Passat Alltrack 2.0l TDI”, ausgerüstet mit einem Motor der Baureihe „EA 288”), dessen EG-Typgenehmigung für die Schadstoffklasse „Euro 6” ausgewiesen ist. Bei diesem Kfz erfolgt die Abgasrückführung in Abhängigkeit von der Temperatur (sog. Thermofenster); zudem ist eine Fahrkurvenerkennung installiert. Das Thermofenster ist eine Abschalteinrichtung, die die Abgasreinigung in Diesel-Kfz manipuliert und sich dabei an der Außentemperatur orientiert: Liegt diese zwischen 20 und 30 Grad Celsius, werden die Abgase vollumfänglich gereinigt. Dazu werden die Abgase nach der ersten Verbrennung erneut in den Motor zurückgeführt, wobei sich durch die weitere Verbrennung die Menge an umwelt- und gesundheitsschädlichen Emissionen reduziert. Allein durch diese Abgasrückführung können die gesetzlichen Grenzwerte für Stickoxide eingehalten werden. Wird im Kfz jedoch eine Außentemperatur außerhalb dieses Temperaturfensters gemessen, wird die Abgasreinigung mittels Computerbefehl gedrosselt bzw. ganz abgeschaltet. Die Schadstoffe werden damit aber nahezu ungefiltert über den Auspuff freigesetzt. Das im Juli 2016 neu zugelassene Kfz hat der Käufer am 15.11.2017 von einem Händler erworben, dazu wurde ein Finanzierungsvertrag abgeschlossen. Das Klagebegehren geht dahin, den Käufer im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe dieser das Kfz nicht erworben und auch den Finanzierungsvertrag nicht abgeschlossen. In den ersten beiden Instanzen (LG Osnabrück, Urt. v. 30.6.2021 – 5 O 203/21; OLG Oldenburg, Urt. v. 29.9.2021 – 6 U 217/21) ist die Klage abgewiesen worden; die vom Berufungsgericht zugelassene klägerische Revision richtet sich gegen die Zurückweisung der Berufung.
b) BGH, Urt. v. 26.6.2023 – VIa ZR 533/21: Auch in dem Verfahren mit dem Az.: VIa ZR 533/21 (s. NJW 2023, 2270) verlangt der Kläger von der beklagten Audi AG, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den das Kfz betreffenden Kaufvertrag mit dem Vertragshändler (und einen korrespondierenden Finanzierungsvertrag) nicht abgeschlossen. Der Kläger kaufte im Mai 2018 von einem Vertragshändler einen Audi des Typs SQ5 Allroad 3.0 TDI (ausgerüstet mit einem Motor der Baureihe „EA 896Gen2BiT”). Dessen EG-Typgenehmigung wurde ebenfalls für die Schadstoffklasse „Euro 6” erteilt. Bereits vor Kaufvertragsabschluss hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) bei einer Überprüfung des betreffenden Motors eine unzulässige Abschalteinrichtung (in Gestalt einer sog. Aufheizstrategie) festgestellt und via Bescheid v. 1.12.2017 nachträgliche Nebenbestimmungen für die der Audi AG erteilte EG-Typgenehmigung angeordnet. Solche „Aufheizstrategien” führen dazu, dass die Emissionswerte (nur) auf dem Prüfstand vorschriftsmäßig sind, während unter Bedingungen, die im Straßenverkehr üblicherweise zu erwarten sind, die Abgasreinigung heruntergefahren bzw. abgeschaltet wird. Dies hat aber zur Folge, dass die Abgasreinigung damit nur unter Prüfstandsbedingungen vorschriftsmäßig funktioniert. Die in den Audi eingebaute Technik erkennt anhand von Parametern, wie insb. der Motor-, Ansaugluft-, Abgas- und Umgebungstemperatur, ob sich das Kfz auf einem Prüfstand befindet oder im Straßenverkehr. Die „Aufheizstrategie” betrifft – soweit bekannt – Modelle des Audi A4, A5, A6, A8, Q5, SQ5 und Q7. Auch in diesem Fall ist die Klage des Käufers in den ersten beiden Instanzen (LG Bonn, Urt. v. 29.9.2020 – 7 O 313/19; OLG Köln, Urt. v. 14.10.2021 – 18 U 185/20) abgewiesen worden. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er seine zweitinstanzlichen Anträge weiterverfolgt, richtet sich gegen die Zurückweisung der Berufung.
c) BGH, Urt. v. 26.6.2023 – VIa ZR 1031/22: In dem Verfahren mit dem Az.: VIa ZR 1031/22 (s. BeckRS 2023, 14774) kaufte der Kläger im Oktober 2017 von der beklagten Mercedes-Benz Group AG einen Mercedes-Benz C 220d, der mit einem Motor der Baureihe „OM 651” ausgestattet ist. Dessen EG-Typgenehmigung wurde ebenfalls für die Schadstoffklasse „Euro 6” erteilt. Die Abgasrückführung erfolgt bei dem Fahrzeug u.a. tem...