Am 24.3.2021 fasste das BVerfG seinen damals viel beachteten, hoffnungsvollen Klimaschutzbeschluss (1 BvR 2656/18, ZAP EN-Nr. 334/2021). Darin begründete es weit reichend die Klimaschutzpflichten aus dem in Art. 20a GG kodifizierten Staatsziel „Umweltschutz”. Das war ursächlich für eine ergänzende Anlage zum damaligen KlimaschutzG. Was hat sich seitdem – ca. 1,5 Jahre später – geändert?
Schon 2012 veröffentlichte der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) in Vorbereitung der UN-Konferenz in Rio de Janeiro die Ziele einer notwendigen sozial-ökologischen Transformation, insb. die Herabsetzung der Erderwärmung, Reduktion der CO2-Emission und nachhaltigen Ressourcenumgang (WBGU-Bericht, 2011).
Kersten geht verfassungsrechtlich weiter und schlägt eine umfassende Aufnahme der Natur als Rechtssubjekt in das Grundgesetz vor (Kersten, Das ökologische Grundgesetz). Durch Einführung einer ökologischen Schranke könne man die Berufs- und Wirtschaftsfreiheit dahingehend begrenzen. Die Schrankenbestimmung findet er durch Einführung einer Grenze der jeweiligen Grundrechte am ökologischen Wohl der Allgemeinheit in Art. 2 Abs. 1 GG, an der Natur für die Tarifautonomie gem. Art. 9 Abs. 3 GG und der „Ökologiepflichtigkeit” des Eigentums nach Art. 14 GG. Sowohl in der Präambel des Grundgesetzes als auch mit einem eigenen Grundrecht eines Jeden „auf eine intakte Umwelt und Erhaltung seiner Lebensgrundlagen” in Art. 19 Abs. 3 GG solle der entsprechende Zusatz aufgenommen werden (Kersten, a.a.O.; Kersten, Blätter für deutsche und internationale Politik, Ausgabe 6/22).
Entgegen der Entscheidungsbegründung des BVerfG ist nicht nur der parlamentarische Gesetzgeber bei der Umsetzung des Klimaschutzes gefragt. Die auch als 3. Revolution (Jänicke/Jacob, Die dritte industrielle Revolution, S. 10 ff.) bezeichnete sozial-ökologische Transformation umfasst nach Ansicht der Verf. vielmehr einen gesamtgesellschaftlichen Wandel.
Mit dem ökologischen Umbau werden viele Arbeitsplätze verloren gehen. Derzeit sind allein ca. 38 % der weltweit Beschäftigten in fossilen Industrien beschäftigt, darunter i.d.R. auch gut bezahlte Arbeitsplätze. Im Bereich der erneuerbaren Energien haben sich allein die Arbeitsplätze von 2000 zu 2021 zwar mit Schwankungen, aber insgesamt verdreifacht ( www.umweltbundesamt.de/daten/umweltindikatoren/indikator-beschaeftigte-im-bereich-erneuerbare#-die-wichtigsten-fakten ). Durch eine vorausschauende, präventive Umwandlung in den Unternehmen kann ein sonst drohender Umweltkollaps vermieden werden.
Insbesondere den Gewerkschaften kommt dabei eine wichtige, gesamtgesellschaftliche Rolle als „Mittler” zwischen Arbeitnehmern, Arbeitgebern, Gesellschaft und Politik zu. Dies ist nach Ansicht der Verf. jedoch nicht allein durch die Gewerkschaften zu bewältigen, sondern erfordert ein grundsätzliches Umdenken in der Zusammenarbeit. Die Gewerkschaften haben sowohl in globaler Politik als auch auf regionaler, betriebsbezogener Ebene starke Einflussmöglichkeiten. Das sollte für einen Zusammenschluss neuer, fachübergreifender Bündnisse und Plattformen genutzt werden, um die unterschiedlichen Aspekte aus Umwelt-, Sozial- und Arbeitssicherheit zu einem praxistauglichen Ergebnis effektiv zusammenzuführen (weiterführende Studie: Lehmann u.a., SuP 2022, 556 ff.).
Um in allen Prozessstufen von Planung, Produktion, Transport bis zum Konsumverhalten des Endkunden eine Umwandlung zu erreichen, muss die digitale Transformation eingesetzt werden, z.B. durch Einsatz eines Carbonmanagementsystems. Damit kann der CO2-Ausstoß und Materialverbrauch datengestützt mittels Simulation getrackt, analysiert und reduziert werden (Institut für Mittelstandsforschung, Pressemitteilung v. 11.10.2022).
Die erheblichen Kosten sollten mit aktiver Investitionsförderung für nachhaltige, ökologische Projekte gezielt gesteuert werden. Vor allem klein- und mittelständigen Unternehmen wird dadurch die Unsicherheit des wirtschaftlichen Risikos genommen (Parlamentarischer Staatssekretär Michael Kellner zur Eröffnung des International Roundtable on SMEs in Berlin v. 11.10.2022). Gleichzeitig sind umweltschädliche Subventionen abzubauen!
Parallel sollten Gewerkschaften und deren Bündnispartner die Politik beratend unterstützen und vorrangig die Schulung und Aufklärung von Unternehmensführungen und Mitarbeitern vornehmen. Auch der einzelne Mitarbeiter muss in die Zeit der sozial-ökologischen sowie digitalen Neuerungen mitgenommen werden.
Ferner ist das unternehmerische Beschaffungswesen durch Beachtung und Steuerung nachhaltiger Lieferketten auf regionale Partner und Lieferanten zu verändern. Das Lieferkettensorgfaltsgesetz (LkSG) gibt den Betriebsräten mit § 106 BetrVG eine neue, Einflussmöglichkeit durch die Bildung von Wirtschaftsausschüssen mit einem Unterrichtungsrecht und einem Beschwerdemanagement als unmittelbares Mitbestimmungsrecht. Der Wirkungskreis des LkSG erstreckt sich derzeit jedoch nur auf Verwendung/Entsorgung von Quecksilber u...