Bei einem Zusammenstoß im Zusammenhang mit einem Wechsel der Fahrspur ist zunächst von der vollen Haftung des Spurwechslers auszugehen (§ 7 Abs. 5 StVO). Eine Mithaftung des anderen Verkehrsteilnehmers kommt aber z.B. bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung oder einer ungebremsten Weiterfahrt trotz rechtzeitigen Erkennens des Spurwechsels in Betracht.
1. Auf einer Autobahn
Beim Wechsel auf die Überholspur einer Autobahn ist grundsätzlich von der Alleinhaftung des Spurwechslers auszugehen, da er das Vorrecht des anderen Verkehrsteilnehmers aus § 18 Abs. 3 StVO verletzt. In Übereinstimmung mit dem Urteil des BGH vom 17.3.1992 (BGHZ 117, 337 = NJW 1992, 1684 = NZV 1992, 229 = VersR 1992, 714) ist aber i.d.R. eine Mithaftung des Auffahrenden in Höhe der normalen Betriebsgefahr anzunehmen, wenn dieser – vor allem bei Dunkelheit – mit einer höheren Geschwindigkeit als mit der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h gefahren ist (OLG Hamm NZV 2011, 248 [20 % bei 160 km/h]; OLG Düsseldorf NJW-RR 2018, 788 [30 % bei 200 km/h]; Grüneberg, a.a.O., Rn 147). Ferner kommt eine Mithaftung des Auffahrenden in Betracht, wenn er die Geschwindigkeit trotz Erkennbarkeit des Spurwechsels nicht herabgesetzt oder fehlerhaft reagiert hat (OLG Düsseldorf MDR 1961, 233 [20 %]; OLG Köln VersR 1991, 1301 [50 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 148). Erfolgt der Spurwechsel aufgrund einer Verengung oder Blockierung einer Fahrspur, ist i.d.R. eine Schadensteilung im Verhältnis von 1:1 vorzunehmen (BGH VersR 1962, 634; OLG Frankfurt VRS 72, 40; abweichende Quoten bei Grüneberg, a.a.O., Rn 149).
Bei einem Auffahrunfall im Einfädelverkehr kommt i.d.R. eine Schadensteilung in Betracht, da dem Einfädelverkehr die Einfahrt in die Autobahn zu ermöglichen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Fahrzeug des fließenden Verkehrs, dem grundsätzlich gem. § 18 Abs. 3 StVO die Vorfahrt zusteht, hätte abbremsen oder auf die Überholspur ausweichen können (BGH NJW 1982, 1595 [50 %]; OLG Naumburg NZV 2008, 25 [30 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 151).
Hinweis:
Gemäß § 7a Abs. 2 StVO darf der Einfädelungsverkehr auch schneller fahren als der durchgehende Verkehr.
Dagegen ist regelmäßig von der vollen Haftung des Einfahrenden auszugehen, wenn er "in einem Zug" auf die Überholspur fährt (OLG Jena NZV 2010, 29). Bei einem Zusammenstoß im Ausfahrtbereich einer Autobahn ist i.d.R. ebenfalls eine Schadensteilung vorzunehmen, wobei den Halter des ausfahrenden Fahrzeugs aufgrund der dessen Fahrer obliegenden erhöhten Sorgfaltspflicht der höhere Haftungsanteil treffen wird (BGH NZV 2007, 185; OLG Hamm NJW-RR 2017, 19 [50 %]; zum Unfall zwischen ausfahrendem und einfahrendem Fahrzeug auf einem kombinierten Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen s. LG Berlin zfs 1999, 514).
2. Auf einer mehrspurigen Straße
Bei einem Zusammenstoß infolge des Spurwechsels eines Fahrzeugs ist grundsätzlich von der vollen Haftung seines Halters auszugehen. Den anderen Verkehrsteilnehmer kann aber eine Mithaftung zumindest in Höhe der normalen Betriebsgefahr treffen, wenn er z.B. mit überhöhter Geschwindigkeit fährt oder den beabsichtigten Spurwechsel rechtzeitig erkennen kann, ohne darauf durch Abbremsen oder Ausweichen angemessen zu reagieren (BGH NJW 2014, 1181; KG NZV 2009, 240; Grüneberg, a.a.O., Rn 155). Bei einem Zusammenstoß mit einem zwischen stehenden Fahrzeugkolonnen hindurchfahrenden Motorrad kann eine Haftung des Spurwechslers u.U. sogar ausscheiden (OLG Hamm NZV 1988, 105; weitere Unfallkonstellationen bei Grüneberg, a.a.O., Rn 157–160).