Gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wird die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses unwirksam, wenn bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit der Räumungsklage der Vermieter hinsichtlich der fälligen Miete und der Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder eine öffentliche Stelle sich zur Zahlung verpflichtet. Dies gilt jedoch innerhalb von zwei Jahren nur einmal.
(a) Fristberechnung
Die Frist beginnt mit Zugang der Kündigung und endet zwei Monate nach Zustellung der Räumungsklage. Bei Mietermehrheiten beginnt die zweimonatige Frist mit der letzten Zustellung zu laufen. Bei Zahlung nach Zugang der Kündigung und Zustellung der Klage wird die Schonfristregelung ggf. für zwei Jahre verbraucht (KG WuM 1984, 93; AG/LG Hamburg ZMR 2004, 271; AG Dortmund WuM 2003, 273), sodass bei einem weiteren Zahlungsverzug innerhalb der Zwei-Jahresfrist der Mieter nicht erneut die Schonfrist ausnutzen kann. Geht die Übernahmeerklärung aufgrund eines Behördenfehlers zu spät ein, ist sie unwirksam (AG Hamburg, Urt. v. 17.8.2005 – 46 C 165/03, juris). Unterlassene oder verspätete Zahlungen aufgrund der COVID-19-Pandemie werden nach Art. 240 § 2 EGBGB nicht privilegiert.
(b) Zahlung
Die Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB setzt eine vollständige Tilgung der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a BGB innerhalb der dort genannten Frist voraus (BGH NZM 2016, 765 = NJW 2016, 3437). Der Mieter muss also alle bis zum Zeitpunkt der Befriedigung aufgelaufenen Rückstände an Miete und Nutzungsentschädigung zahlen. Durch Teilzahlungen erlischt das Kündigungsrecht nicht, und zwar selbst dann nicht, wenn der verbleibende Rückstand die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Ziff. 3 BGB für eine fristlose Kündigung nicht mehr erfüllt (LG Köln ZMR 2002, 428). Ein einmal entstandenes Kündigungsrecht erlischt nur bei vollständiger Zahlung.
Beispiele:
Die monatlich im Voraus zu zahlende Miete beträgt inkl. Betriebskostenvorauszahlung 600 EUR.
- Fall 1: Der Mieter zahlt am 3. April 200 EUR, am 3. Mai 300 EUR und am 3. Juni 1200 EUR: Eine Kündigung war ab 3. Mai möglich. Der Rückstand ab April überstieg eine Monatsmiete. Die Zahlung im Juni hat die Kündigung nicht unwirksam gemacht, da nicht der ganze Rückstand gezahlt wurde. Es besteht weiterhin ein Rückstand von 100 EUR.
- Fall 2: Der Mieter zahlt am 3. April 200 EUR, am 3. Mai 300 EUR und am 31. Mai 1200 EUR: Eine Kündigung war ab 3. Mai möglich. Der Rückstand ab April überstieg eine Monatsmiete. Die Zahlung Ende Mai hat die Kündigung aber unwirksam werden lassen, da der gesamte Rückstand ausgeglichen wurde. Die Junimiete war zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig. Der Rückstand im Juni von 100 EUR berechtigt nicht zur Kündigung.
Der Zahlung steht eine Aufrechnung mit einer bis zum Ende der Schonfrist fällig werdenden Gegenforderung gleich. Die Aufrechnung muss aber unverzüglich erfolgen, also ohne schuldhaftes Zögern. Die Aufrechnung muss auch ausdrücklich erklärt werden. Es findet keine automatische Verrechnung mit Überzahlungen aus früheren Monaten statt (LG Duisburg WE 2001, 16). Will der Mieter mit vermeintlichen Überzahlungen wegen eines Verstoßes gegen die sog. Mietpreisbremse aufrechnen, kommt es für die Frage, welche Anforderungen an die Rüge zu stellen sind und ob für welche Zeiträume die Rückzahlung verlangt werden kann, auf den Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses an, da sich die Regeln schon zweimal geändert haben und die Überleitungsvorschrift im EGBGB immer auf den Vertragsschluss abstellt (dazu Börstinghaus in MietPrax-AK, Vor § 556g BGB).
Hinweis:
Gibt der Mieter die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurück, so kann der Vermieter für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung die vereinbarte Miete oder die Miete verlangen, die für vergleichbare Sachen ortsüblich ist. Damit ist nicht die ortsübliche Vergleichsmiete, sondern die Marktmiete gemeint (BGH NZM 2017, 186 = NJW 2017, 1022). Das könnte bei der Berechnung der gem. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zu zahlenden Nutzungsentschädigung zu Problemen führen, weil der Wert strittig ist und nach ausreichender Zahlung sowieso wieder zurückzuzahlen ist. Aus historischen, aber auch teleologischen Gründen wird man zu dem Ergebnis kommen müssen, dass der Mieter i.R.d. Schonfristzahlung nur die bisherige Miete als Nutzungsentschädigung zu zahlen hat (Häublein ZMR 2018, 8).
(c) Verpflichtungserklärung
Gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wird eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs auch dann unwirksam, wenn sich eine öffentliche Stelle zur Übernahme verpflichtet. Eine Übernahmeerklärung des Sozialamts für die Mietrückstände ist auch dann wirksam, wenn sie formlos dem Prozessbevollmächtigten des Vermieters zugeht mit dem Zusatz "soweit die Räumung der Wohnung hinfällig wird" (LG Berlin GE 1997, 1467). Nach Ansicht des LG Bielefeld (WuM 1994, 206) löst die Verpflichtungserklärung des Sozialamts unter der Bedingung: "wenn Sie das Mietverhältnis fortsetzen bzw. es sich im Klageverfahren e...