Die Erstattung einer Strafanzeige kann eine erhebliche Vertragsverletzung i.S.v. § 543 Abs. 1 BGB darstellen. Das ist auch verfassungsrechtlich anerkannt (BVerfG NZM 2002, 61). Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurde. Vielmehr ist über die Kündigung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Mittel entsprechend der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Bei der Abwägung der Interessen ist Art. 10 EMRK (Freiheit der Meinungsäußerung) zu berücksichtigen. Dies gilt insb., wenn der Anzeigeerstatter mit der Anzeige auf Missstände aufmerksam machen will, deren Beseitigung im öffentlichen Interesse liegt (EGMR NJW 2011, 3501 – Arbeitsrecht).
Berechtigt ist die Kündigung bei der Angabe falscher Tatsachen (LG Berlin GE 1990, 1079; LG Frankfurt WuM 1994, 15). Gleiches gilt, wenn die Anzeige leichtfertig erstattet worden ist (AG Friedberg/Hessen WuM 1986, 338). Beruht die Anzeige auf wahren Tatsachen oder Tatsachen, die der Anzeigeerstatter für wahr hält, liegt ein wichtiger Grund vor, wenn der Mieter nicht zur Wahrung eigener Interessen handelt, sondern um dem Vermieter einen Schaden zuzufügen. Der Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit liegt hier im denunziatorischen Charakter der Anzeige. Maßgeblich ist, ob die Anzeige nach den Gesamtumständen angemessen ist. Eine Kündigung kommt nicht in Betracht, wenn der Anzeigeerstatter aus staatsbürgerlicher Verantwortung handelt (LG Wiesbaden WuM 1995, 707 betr. Anzeige wegen des Verdachts von Kindesmissbrauch). Anders ist es, wenn die Anzeige aus Böswilligkeit oder aus nichtigem Anlass erstattet worden ist. Nimmt der Mieter wahre oder aus seiner Sicht möglicherweise wahre Tatsachen zum Anlass einer Anzeige und handelt er hierbei zur Wahrung eigener Interessen, kann durchaus auch eine Kündigung gem. § 543 Abs. 1 BGB in Betracht kommen. Hierzu gehören diejenigen Fälle, in denen möglicherweise eine Straftat, eine Ordnungswidrigkeit oder ein rechtswidriger Zustand vorliegen kann (z.B. Mietpreisüberhöhung; Nötigung; Beleidigung; Körperverletzung; Hausfriedensbruch; mangelhafter Bauzustand) und der Anzeigeerstatter ein eigenes Interesse an der Aufklärung der Tat, am behördlichen Eingreifen oder der Bestrafung des Täters hat. Jedoch ist dabei immer zu berücksichtigen, dass für Streitigkeiten über die Höhe der Miete, die Berechtigung der Umlage von Betriebskosten und ähnliche Fälle der Zivilrechtsweg eröffnet ist. Eine Strafanzeige ist in solchen Fällen unangemessen (BVerfG GE 2001, 1536; AG Hamburg-Altona ZMR 2016, 460). Anders sieht es aus, wenn im Einzelfall Anlass für ein Eingreifen der Behörde besteht, z.B. bei gefährlichen Baumängeln.