1. Elektromobilität
§ 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG begreift die Herstellung von Ladeinfrastruktur für elektrisch betriebene Fahrzeuge als privilegierte bauliche Veränderung, auf deren Herstellung der einzelne Wohnungseigentümer einen Gestattungsanspruch hat. Der Anspruch umfasst nicht nur die Herstellung, sondern auch den Betrieb der geschaffenen Ladeeinrichtungen. Deshalb ist ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft, der das Abstellen und Laden von E-Autos in der Tiefgarage untersagt, unwirksam. Weil dies den wesentlichen gesetzgeberischen Zielen der WEG-Reform zuwiderläuft, entspricht dieser Beschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, selbst wenn man Aspekte des Brandschutzes und eine möglicherweise erhöhte Brandgefahr beim Betrieb von E-Fahrzeugen mitberücksichtigt (AG Wiesbaden, Urt. v. 4.2.2022 – 92 C 2541/21, BeckRS 2022, 3855).
2. Kostenverteilung
Die Kostenlast für privilegierte bauliche Veränderungen (§ 20 Abs. 2 WEG) richtet sich nach § 21 Abs. 1 und 2 WEG. Abs. 2 der Vorschrift zieht alle Wohnungseigentümer zur Tragung entstandener Kosten heran, wenn die Schaffung von Ladeinfrastruktur mit mehr als 2/3 der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde; Ausnahme: Es handelt sich um „unverhältnismäßige” Kosten. Ebenso liegt es, wenn sich die Kosten der privilegierten baulichen Veränderung innerhalb eines „angemessenen” Zeitraums amortisieren. Kommen diese Konstellationen nicht in Betracht, so gilt vorrangig § 21 Abs. 1 S. 1 WEG. Dann wird nur der Wohnungseigentümer belastet, von dem die privilegierte bauliche Veränderung (hier Elektromobilität) begehrt und umgesetzt wurde. Das Gesetz lässt offen, wie zu verfahren ist, wenn sich mehrere Wohnungseigentümer dazu entschließen. Das AG Lübeck verteilt dann ebenfalls nach § 16 Abs. 2 S. 1 WEG nach Miteigentumsanteilen und nicht nach Köpfen (AG Lübeck, Urt. v. 11.2.2022 – 35 C 39/21, ZWE 2022, 329).
3. Abriss eigenmächtig vorgenommener baulicher Veränderungen
Nur die Gemeinschaft kann gegen eigenmächtige bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums vorgehen, wenn sich die dadurch ergebende Beeinträchtigung auf das Gemeinschaftseigentum beschränkt (eigenmächtig gebaute Garage, eigenmächtig errichtete Betonmauer mit aufsitzendem Zaun, was beim Rangieren in die eigenen Stellplätze beeinträchtigt). Die Klagebefugnis steht seit dem 1.12.2020 nach jetzt geltendem Recht für Beseitigungsansprüche aus § 1004 BGB nur noch der Gemeinschaft, nicht mehr einem einzelnen Eigentümer zu (§ 9a Abs. 2 Alt. 1 WEG n.F.; so LG Frankfurt a.M., Urt. v. 11.2.2021 – 2/13 S 46/20, NZM 2021, 239). Das gelte auch in kleinen Zweiergemeinschaften, die verwalterlos seien.
Der einzelne Eigentümer kann nur gegen die Gemeinschaft vorgehen und auf eine entsprechende Beschlussfassung pochen, wenn nur sie ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht (§§ 18 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 19 Abs. 2 WEG).
In aller Regel entspricht ein Beschluss zum Abriss rechtswidrig und eigenmächtig vorgenommener baulicher Veränderungen auf dem Gemeinschaftseigentum ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 19 Abs. 1 WEG n.F.; § 21 Abs. 4 WEG a.F.; so LG Frankfurt a.M., Urt. v. 14.1.2021 – 2-13 S 26/20, NZM 2021, 203 f.). Denn so würde ein wieder ordnungsmäßiger Zustand hergestellt (a.a.O., Rn 9 der Entscheidungsgründe mit weiteren Nachweisen zum Schrifttum). Wird dies durch Negativbeschluss abgelehnt, so verletzt dies das individuelle Recht eines jeden Wohnungseigentümers auf ordnungsmäßige Verwaltung des Gemeinschaftseigentums durch die Gemeinschaft.
Anfechtungsklagen gegen gefasste Negativbeschlüsse sind danach gegen die Gemeinschaft unter zwei Aspekten erfolgreich, so das LG Frankfurt a.M. (a.a.O.):
- Nur eine positive Beschlussfassung hätte ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen, weil ein grds. zuzubilligendes Beschlussermessen in diesem Fall auf „Null” reduziert sei und deshalb nur positiv hätte entschieden werden dürfen.
- Ebenso ist es, wenn den Wohnungseigentümern bei ihrer Beschlussfassung ein Ermessen zusteht, sie dieses Ermessen aber gar nicht ausgeübt, sondern nur den Beschlussantrag schlicht abgelehnt hätten und dadurch den antragstellenden einzelnen Eigentümer in seinem Recht auf ordnungsmäßige Verwaltung des Gemeinschaftseigentums verletzten (ebenso: BGH, Urt. v. 15.1.2010 – V ZR 114/9, NZM 2010, 205). Ein Verstoß gegen das Recht auf ordnungsmäßige Verwaltung liegt auch bei unterlassener Ermessensausübung vor (ebenso: LG München I, Urt. v. 22.4.2013 – 1 S 5114/12, ZMR 2014, 748).
Dabei könne es je nach den konkreten Umständen aber auch ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, von einem Abriss abzusehen (so auch: BGH, Urt. v. 5.7.2019 – V ZR 149/18, NZM 2019, 788, Rn 17; LG München I, Urt. v. 20.4.2020 – 36 S 6844/18, ZWE 2021, 42). Dies muss i.R.d. Beschlussfassung geprüft werden, um einen etwa bestehenden Ermessensspielraum zu berücksichtigen und in die richtige Richtung auszuüben. In die Willensbildung müssen also Alternativen zum Abriss mit einfließen. Geschieht das nicht und wird der Rückbau mit dem Negativbeschluss ohne weitere Auseinandersetzung mit Entscheidungsalternativen schlichtweg abgeleh...