Vor rund zwei Jahren hatte die Justizministerkonferenz ein beschleunigtes Online-Verfahren für einfach gelagerte Fälle vorgeschlagen (vgl. ZAP 2021, 1167). Nun soll es kommen: Das Bundesjustizministerium hat im Oktober bekannt gegeben, dass zurzeit ein Pilotprojekt „Zivilgerichtliches Online-Verfahren” vorbereitet wird.
Das Projekt ist als sog. MVP („minimum viable product”) definiert, also als erste funktionierende Anwendung. Diese soll ab kommendem Jahr bei pilotierenden Amtsgerichten erprobt werden; im Gespräch sind elf Amtsgerichte in acht Bundesländern. Das Online-Tool soll Bürgerinnen und Bürger dabei unterstützen, zulässige und schlüssige Zivilklagen einzureichen. So soll es nach der Erprobung möglich sein, Zahlungsklagen von niedrigem Streitwert bis 5.000 EUR vollständig digital und mit Hilfe digitaler Eingabe- und Abfragesysteme einzureichen. Davon sollen nicht nur die rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürger, sondern auch die Mitarbeitenden der Justiz profitieren. Denn ein derartiges Online-Verfahren dürfte den administrativen Aufwand bei der Bearbeitung von Klagen deutlich reduzieren und damit die Rechtspfleger und Richter entlasten.
Im derzeitigen Stadium des Pilotprojekts wird eine digitale Klageeinreichung über den elektronischen Postfach- und Versanddienst „Mein Justizpostfach” (MJP; vgl. dazu auch ZAP 2023, 1035) angestrebt. In ihr Postfach sollen sich Bürgerinnen und Bürger ganz einfach mit ihrer BundID einloggen. Die technische Anbindung der digitalen Eingabesysteme ist noch in der Entwicklung – Abfragedialoge sollen die Rechtssuchenden sozusagen „an die Hand nehmen”, sind derzeit aber noch technisches Neuland. Geleitet werden die Nutzerinnen und Nutzer in erster Linie durch einen strukturierten Frage-Antwort-Prozess, der durch alle wichtigen Schritte führt. „Haben Sie bereits schriftlich zu der Gegenseite Kontakt aufgenommen, um das Problem zu lösen?”, könnte etwa eine der ersten Fragen im Online-Verfahren lauten, denn oft ist der vorherige Versuch einer außergerichtlichen Konfliktlösung Voraussetzung für die Erhebung einer Klage. Weitere mögliche Funktionen des Online-Tools sind verständliche Hinweise, Fehlermeldungen und weiterführende Informationen.
Die so erstellte digitale Klageschrift wird schließlich auf rechtssicherem Weg an das zuständige Amtsgericht weitergeleitet. Dieses wiederum soll die Möglichkeit bekommen, direkt mit der klagenden Partei in Kontakt zu treten. Ein solcher „Rückkanal” soll die Kommunikation zwischen den Verfahrensbeteiligten vereinfachen und erheblich beschleunigen.
„Wenn alles gut läuft”, könnten bereits Mitte 2024 die ersten digitalen Zivilklagen bei den Pilotgerichten eingereicht werden, gibt man sich seitens des Ministeriums zuversichtlich. Zuvor ist aber auch noch eine Anpassung des rechtlichen Rahmens erforderlich. Das BMJ arbeitet aktuell an einem Referentenentwurf für eine Erprobungsgesetzgebung. Angedacht ist, die Erprobung auf zehn Jahre anzulegen und während der Laufzeit die Erfahrungen zu evaluieren. Für die Einreichung sollen sowohl Nutzerkonten nach dem Onlinezugangsgesetz als auch das beA angebunden werden. Daneben sollen rechtliche Freiräume für die Schaffung einer Kommunikationsplattform eröffnet werden, mit der auch bundeseinheitliche digitale Kommunikations-, Austausch- und Übermittlungsformen zwischen den Parteien und dem Gericht erprobt werden können sollen.
[Quellen: BMDV/BMJ/BRAK]