Die Parteien streiten zuletzt noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Der 1975 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit dem 17.8.1992 bei der H GmbH als Armaturenschlosser beschäftigt. Der Kläger ist einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Mit Beschl. v. 1.3.2020 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter. Dieser zeigte am gleichen Tag drohende Masseunzulänglichkeit an.
Auf der Grundlage eines mit dem Betriebsrat der Schuldnerin am 27.3.2020 abgeschlossenen Interessenausgleichs mit Namensliste kündigte der Beklagte 61 der zu diesem Zeitpunkt beschäftigten 396 Arbeitnehmer. Von den zwölf Mitarbeitern der Vergleichsgruppe „Armaturenfertigung”, der auch der Kläger angehörte, betraf dies zwei Arbeitnehmer.
Betriebsrat und Insolvenzverwalter schlossen auf Verhandlungen ab Ende April 2020 am 29.6.2020 einen zweiten Interessenausgleich. Dieser sah auf der Grundlage der vom Gläubigerausschuss am 24.6.2020 beschlossenen Betriebsstilllegung zum 31.5.2021 nach Ausproduktion die Kündigung sämtlicher Arbeitsverhältnisse vor. Die Arbeitsverhältnisse der für die Ausproduktion nicht benötigten Arbeitnehmer sollten, nach Einholung ggf. notwendiger Zustimmungen (z.B. gem. §§ 168 ff. SGB IX), unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist des § 113 InsO zum nächstzulässigen Termin gekündigt werden. Die für die Ausproduktion notwendigen Arbeitnehmer sollten nach Abschluss des Interessenausgleichs eine Kündigung zum geplanten Ende der Ausproduktion am 31.5.2021 erhalten. Weiter kamen die Betriebsparteien in dem Interessenausgleich überein, dass aufgrund der Kündigung sämtlicher Arbeitsverhältnisse eine soziale Auswahl entbehrlich sei.
Bestandteil des Interessenausgleichs vom 29.6.2020 waren drei Namenslisten, die alle Arbeitnehmer erschöpften. Von den noch zehn Mitarbeitern der Armaturenfertigung waren fünf, u.a. Herr A, auf der zweiten Namensliste (Kündigung zum Ende der Ausproduktion am 31.5.2021) genannt. Der Kläger war als Nr. 44, ebenso wie Herr M und die übrigen drei Mitarbeiter der Armaturenfertigung, auf der Liste derjenigen Arbeitnehmer namentlich genannt, die zum nächstzulässigen Termin zu kündigen waren.
Herr A ist 1990 geboren, verheiratet, einem Kind zum Unterhalt verpflichtet und seit 1.8.2012 bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Herr M ist 1968 geboren, unverheiratet, einem Kind zum Unterhalt verpflichtet und seit 22.7.1985 bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt.
Nach Erstattung einer Massenentlassungsanzeige erklärte der Beklagte die Kündigung aller Arbeitsverhältnisse der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer. Im Falle des Klägers erfolgte die Kündigung nach ordnungsgemäßer Durchführung des Zustimmungsverfahrens gem. §§ 168 ff. SGB IX mit Schreiben v. 11.8.2020 zum 30.11.2020. Mit seiner beim ArbG am 25.8.2020 eingegangenen Klage hat der Kläger u.a. die Unwirksamkeit dieser Kündigung geltend gemacht.
Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei aus drei Gründen unwirksam: (1) Weil eine soziale Auswahl erforderlich gewesen, aber nicht vorgenommen worden sei. (2) Weil in seiner Vergleichsgruppe nicht ihm, sondern Herrn A zum nächstzulässigen Termin hätte gekündigt werden müssen. (3) Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass dem Kläger auch dann zum nächstzulässigen Termin gekündigt worden wäre, wenn der Beklagte eine soziale Auswahl vorgenommen hätte. Diesbezüglich sei der Betriebsrat nicht angehört worden. Ein Nachschieben der Gründe für die soziale Auswahl sei unzulässig.
Der zulässige Kündigungsschutzantrag ist unbegründet. Die Kündigung vom 11.8.2020 ist sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 1, Abs. 3 KSchG). Wegen des Interessenausgleichs mit Namensliste wird vermutet, dass die Kündigung v. 29.6.2020 durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist (§ 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO). Diese Vermutung hat der Kläger nicht widerlegt. Der Arbeitgeber kann sich in Bezug auf diese Kündigung auf die Privilegierungen des § 125 Abs. 1 InsO stützen. Es liegt eine Betriebsänderung i.S.v. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG vor. Der Beklagte beabsichtigte, den Betrieb zum 31.5.2021 stillzulegen. Die Betriebsparteien haben unter dem 29.6.2020 einen formwirksamen Interessenausgleich mit drei Namenslisten abgeschlossen. Dabei handelt es sich nicht um „Teil-Namenslisten”, die den Anforderungen des § 125 Abs. 1 S. 1 InsO nicht genügten (Einzelheiten im Parallelverfahren BAG, Urt. v. 8.12.2022 – 6 AZR 31/22, juris Rn 60). Der Name des Klägers ist unter der laufenden Nr. 44 auf der Liste derjenigen Arbeitnehmer genannt, denen mit der Frist des § 113 InsO zum nächstzulässigen Termin gekündigt werden sollte.
Der Fehler im Auswahlverfahren hat sich nicht auf das Auswahlergebnis ausgewirkt, sodass das Unterlassen der sozialen Auswahl nicht kausal für die Kündigung des Klägers war (zum Erfordernis der Sozialauswahl BAG, Urt. v. 8.12.2022 – 6 AZR 31/22). De...