Der Anwalt erhält grundsätzlich eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG.
Beispiel 5: Volle Verfahrensgebühr
Der Anwalt beantragt mit ausführlicher Begründung für seinen Mandanten die Erteilung eines Erbscheins, der den Mandanten als Alleinerben ausweisen soll. Der Geschäftswert wird auf 100.000 EUR festgesetzt. Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 100.000 EUR) |
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1.953,90 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.973,90 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
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375,04 EUR |
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Gesamt |
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2.348,94 EUR |
Im Falle einer vorzeitigen Erledigung ermäßigt sich die Gebühr auf 0,8 (Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG). Ein solcher Fall kann auf Seiten des Antragstellers eintreten, wenn der Auftrag zur Beantragung des Erbscheins vor seiner Einreichung zurückgenommen wird. Auf Antragsgegnerseite kann der Fall eintreten, wenn der Anwalt den Antrag entgegennimmt, aber nichts Weiteres veranlasst.
Beispiel 6: Ermäßigte Verfahrensgebühr (vorzeitige Erledigung)
A beantragt die Erteilung eines Erbscheins, der ihn und den B zu je ½ als Miterben ausweisen soll. Dem B wird der Antrag zugestellt. Er beauftragt einen Anwalt, der empfiehlt, nichts zu veranlassen, da der Antrag der Rechtslage entspreche. Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung und setzt den Geschäftswert auf 100.000 EUR fest.
Es entsteht jetzt nur die nach Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG ermäßigte Verfahrensgebühr.
1. |
0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3100, 3101 Nr. 1 VV RVG (Wert: 100.000 EUR) |
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1.202,40 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.222,40 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
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232,26 EUR |
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Gesamt |
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1.454,66 EUR |
Darüber hinaus ist in Nr. 3101 Nr. 3 VV RVG eine besondere Ermäßigungsvorschrift enthalten, die nur für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt. Danach entsteht ebenfalls nur eine auf 0,8 ermäßigte Verfahrensgebühr, wenn lediglich ein Antrag gestellt und eine Entscheidung des Gerichts entgegengenommen wird. Die Ermäßigung gilt erst recht, wenn nur ein Antrag gestellt oder nur eine Entscheidung des Gerichts entgegengenommen wird.
Hinweis:
In Erbscheinsverfahren hat diese Ermäßigungsvorschrift allerdings kaum eine Bedeutung, da der Erbscheinsantrag i.d.R. nicht ohne Begründung eingereicht wird und sich die Tätigkeit damit nicht lediglich auf eine Antragstellung beschränkt.
Beispiel 7: Ermäßigte Verfahrensgebühr (bloße Antragstellung)
Der Anwalt beantragt für seinen Mandanten aufgrund eines beim Nachlassgericht bereits vorliegenden Testaments die Erteilung eines Erbscheins, der antragsgemäß erteilt wird.
Es entsteht jetzt nur die nach Nr. 3101 Nr. 3 VV RVG ermäßigte Verfahrensgebühr (s. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl. 2017, Nr. 3101 VV RVG Rn 120). Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel.
Eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG bei Vertretung mehrerer Miterben kommt grundsätzlich nicht in Betracht, da es insoweit an demselben Gegenstand fehlt. Vielmehr sind hier grundsätzlich die Werte der einzelnen Anteile der Miterben nach § 22 Abs. 1 RVG zu addieren.
Beispiel 8: Verfahrensgebühr, mehrere Auftraggeber (I)
Der Anwalt beantragt für A und B die Erteilung eines Erbscheins, der beide zu ½ als Miterben ausweisen soll. Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung. Der Geschäftswert wird auf 100.000 EUR festgesetzt.
Eine Gebührenerhöhung greift nicht, da jeder Auftraggeber den Anwalt wegen seines eigenen Erbteils beauftragt. Stattdessen werden die Werte der beiden Erbteile von A und B addiert (§ 22 Abs. 1 RVG).
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 100.000 EUR) |
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1.953,90 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.973,90 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
|
375,04 EUR |
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Gesamt |
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2.348,94 |
Eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG tritt dagegen ein, wenn zwischenzeitlich ein weiterer Erbfall eingetreten und ein Erbteil nunmehr auf eine (weitere) Erbengemeinschaft übergegangen ist.
Beispiel 9: Verfahrensgebühr, mehrere Auftraggeber (II)
Nach dem Tode des Erblassers E sind dessen Kinder A und B gesetzliche Erben zu ½. A verstirbt und wird durch seine Kinder C und D beerbt. Diese beantragen nunmehr die Erteilung eines Erbscheins, der sie in ungeteilter Erbengemeinschaft zu ½ als Miterben nach dem Tode des E ausweisen soll. Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung. Der Geschäftswert wird auf 50.000 EUR festgesetzt (§ 40 Abs. 2 S. 1 GNotKG).
Jetzt greift die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG, da A und B den Anwalt wegen desselben Gegenstands beauftragt haben.
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3100, 1008 VV RVG (Wert: 50.000 EUR) |
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1.860,80 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.880,80 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
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357,35 EUR |
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Gesamt |
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2.238,15 EUR |
Hinweis:
Sofern mehrere Miterben dasselbe Interesse verfolgen (z.B. einen gemeinschaftlichen Erbschein), soll für den gemeinsamen Anwalt die Gebührenerhöhung g...