Bis zum Inkrafttreten des 2. KostRMoG war umstritten, ob die Terminsgebühr in sozialgerichtlichen Verfahren in analoger Anwendung der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG anfallen konnte, wenn ein schriftlicher Vergleich geschlossen wurde. Der Gesetzgeber hatte zunächst eine der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG entsprechende Regelung in Nr. 3106 VV RVG vergessen. Mit der Neufassung der Anm. S. 1 Nr. 1 zu 3106 VV RVG durch das 2. KostRMoG ist diese Streitfrage jetzt dahingehend geklärt, dass die Terminsgebühr anfällt.
Auch hier ist Voraussetzung, dass im Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Es gilt hier insoweit das gleiche wie für die Entscheidung in schriftlichen Verfahren.
Beispiel 3: Abschluss eines schriftlichen Vergleichs (I)
Im gerichtlichen Verfahren wird ein schriftlicher Vergleich geschlossen und dessen Zustandekommen nach § 101 Abs. 1 S. 2 SGG festgestellt. Zu einem gerichtlichen Termin kommt es daher nicht mehr. Außergerichtliche Besprechungen hatten nicht stattgefunden.
Der Anwalt erhält nach Anm. S. 1 Nr. 1 zu Nr. 3106 VV RVG neben der Verfahrens- und der Einigungsgebühr auch eine Terminsgebühr. Die Höhe der Terminsgebühr beläuft sich wiederum nach Anm. S. 2 zu Nr. 3106 VV RVG auf 90 % der Verfahrensgebühr (s.u. 8.). Die Einigungsgebühr beläuft sich auf die Höhe der Verfahrensgebühr (Nr. 1006 VV RVG). Geht man hinsichtlich der Verfahrensgebühr von der Mittelgebühr aus, ergibt sich folgende Berechnung:
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG |
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300,00 EUR |
2. |
Terminsgebühr, Anm. S. 1 Nr. 1 zu Nr. 3106 VV RVG |
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270,00 EUR |
3. |
Einigungsgebühr, Nr. 1000, 1006 VV RVG |
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300,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
890,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
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169,10 EUR |
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Gesamt: |
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1.059,10 EUR |
Nach einem Teil der sozialgerichtlichen Rechtsprechung soll die Terminsgebühr bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs nur dann anfallen können, wenn das Zustandekommen des Vergleichs nach § 101 Abs. 1 S. 2 SGG gerichtlich festgestellt worden ist (LSG Niedersachsen-Bremen AGS 2016, 69 = ASR 2015, 253 = RVGreport 2015, 461; Bayerisches LSG, JurBüro 2015, 467 = RVGreport 2015, 342; Beschl. v. 29.11.2016 – L 15 SF 97/16 E; Beschl. v. 16.12.2016 – L 15 SF 63/15; LSG NRW NZS 2015, 560; Beschl. v. 5.1.2015 – L 19 AS 1350/14 B; SG Osnabrück, Beschl. v. 5.12.2016 – S 40 SF 1/16 E).
Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend. Der Wortlaut des Gesetzes ist eindeutig. Das Gesetz fordert lediglich einen schriftlichen Vergleich. Was ein Vergleich ist, ergibt sich aus § 779 BGB. Was unter Schriftlichkeit zu verstehen ist, ergibt sich wiederum aus § 126 BGB. Was soll angesichts dieser eindeutigen Rechtslage noch auszulegen sein? Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er im Rahmen des RVG von seinen eigenen gesetzlichen Definitionen abweichen wollte. Gegen diese Auffassung spricht auch, dass dem Gesetzgeber des RVG durchaus der Unterschied zwischen einem schriftlichen Vergleich und einem gerichtlich festgestellten Vergleich bekannt war. Liest man die Vorschrift der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3101 VV RVG, nach der der Anwalt bei Protokollierung eines Vergleichs über nicht anhängige Gegenstände eine Verfahrensdifferenzgebühr erhält, so wird man feststellen, dass dort ausdrücklich ein gerichtlich festgestellter Vergleich gefordert wird. Der Gesetzgeber hat also sehr genau unterschieden, wann er einen schriftlichen Vergleich ausreichen lässt und wann der Vergleich gerichtlich festgestellt sein muss. In der Zivilgerichtsbarkeit ist im Übrigen schon lange geklärt, dass ein privatschriftlicher Vergleich ausreicht (LAG Hamburg RVGprof. 2010, 192 = RVGreport 2011, 110; OLG Köln AGS 2016, 391 = RVGreport 2016, 259 = Rpfleger 2016, 609 = zfs 2016, 525 = JurBüro 2016, 467 = NJW-Spezial 2016, 540 = RVGprof. 2016, 171). Zutreffend ist es daher, jeglichen schriftlichen Vergleich ausreichend sein zu lassen (SG Neuruppin AGS 2016, 569 = NJW-Spezial 2016, 763).
Der Abschluss eines schriftlichen Vergleichs löst allerdings dann keine Terminsgebühr aus, wenn das Gericht über den Gegenstand des Vergleichs ohne mündliche Verhandlung hätte entscheiden können. Das ist z.B. der Fall, wenn sich die Parteien nach einer Hauptsacheerledigung über die Kosten vergleichen, da darüber nach §§ 193 Abs. 1 S. 3, 124 Abs. 3 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann.
Beispiel 4: Abschluss eines schriftlichen Vergleichs (II)
Nach Erledigung des Verfahrens vergleichen sich die Parteien über die Kosten.
Da über die Kosten des Verfahrens nach § 193 Abs. 1 S. 3 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 124 Abs. 3 SGG), entsteht auch bei Abschluss eines Vergleichs keine Terminsgebühr, sondern nur die Verfahrensgebühr.
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG |
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300,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
320,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
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60,80 EUR |
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Gesamt: |
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380,80 EUR |