In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass der Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren neben einem nicht bedürftigen Streitgenossen einen i.S.d. PKH-Rechts bedürftigen Streitgenossen vertritt. In einem solchen Fall stellt sich einmal die Frage, in welcher Weise dem bedürftigen Streitgenossen – bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH gem. §§ 114 ff. ZPO und die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 121 ZPO – PKH zu bewilligen ist. Zum zweiten stellt sich die Frage, welche Vergütung dem beigeordneten Rechtsanwalt im Falle der Bewilligung der PKH gegen die Landeskasse zusteht. Mit der ersten Fallgestaltung hat sich vor einiger Zeit der BGH (RVGreport 2020, 35 [Hansens]) befasst.
1. Fall des BGH
Der Kläger hatte die Beklagte zu 1 und den Beklagten zu 2 vor dem LG Nürnberg-Fürth gesamtschuldnerisch auf Schadenersatz aufgrund einer Kapitalanlage in Anspruch genommen. Das LG hat der Beklagten zu 1 PKH für die Rechtsverteidigung im ersten Rechtszug unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten bewilligt. Die Bewilligung hat das LG jedoch mit Rücksicht darauf, dass ihr nicht bedürftiger Streitgenosse von demselben Prozessbevollmächtigten vertreten wird, hinsichtlich der Anwaltsgebühren auf die Mehrvertretungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG beschränkt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beklagten zu 1 hat das OLG Nürnberg zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde, für die die Beklagte zu 1 die Bewilligung von PKH begehrt hat. Der BGH hat diesen Antrag für das Rechtsbeschwerdeverfahren zurückgewiesen.
2. Argumente des BGH
Der BGH hat auf seinen viele Jahre zurückliegenden Beschl. v. 1.3.1993 (NJW 1993, 1715 = AGS 2005, 25) verwiesen, der in der Rechtsprechung und Literatur auf Zustimmung, aber auch auf Ablehnung gestoßen ist (zustimmend: OLG Koblenz JurBüro 2001, 652; OLG Naumburg Rpfleger 2004, 186; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 23. Aufl. § 114 Rn 8; Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 114 Rn 7; Saenger/Kießling, ZPO, 7. Aufl., § 114 Rn 11; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 39. Aufl., § 114 Rn 11; MüKoZPO/Wache, 5. Aufl., § 114 Rn 39; ablehnend: OLG Bamberg OLGR 2001, 28; Musielak/Voit/Fischer, ZPO, 15. Aufl., § 114 Rn 3; Fischer JurBüro 1998, 4; Notthoff AnwBl. 1996, 611; Rönnebeck NJW 1994, 2273).
Die Entscheidung des BGH vom 1.3.1993 betrifft den auch hier vorliegenden Fall, dass zwei Streitgenossen von demselben Prozessbevollmächtigten mit der Vertretung in einem Rechtsstreit beauftragt worden sind, aber nur bei einem von ihnen die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH vorlagen. In einem solchen Fall ist nach Auffassung des BGH in seinem Beschl. v. 1.3.1993 die Bewilligung bezüglich der Anwaltsgebühren auf die für diesen Fall im Gesetz vorgesehenen Erhöhungsbeträge – früher § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO, jetzt Nr. 1008 VV RVG – zu beschränken. Dies hatte der BGH damit begründet, nach dem Sinn der §§ 114 ff. ZPO könne die mittellose Partei für ihre Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung staatliche Hilfe nur insoweit in Anspruch nehmen, als sie aus finanziellen Gründen zur Prozessführung außerstande sei. Der finanziell leistungsfähige Streitgenosse werde hierdurch nicht benachteiligt. Er sei durch die Beschränkung der PKH-Bewilligung für den bedürftigen Streitgenossen nicht durch höhere Kosten belastet, als wenn er den gemeinsamen Prozessbevollmächtigten allein beauftragt hätte. Dies folgt jetzt aus § 7 Abs. 2 S. 1 RVG.
Diese Argumentation hat der BGH in seinem neueren Beschl. v. 5.2.2019 aufgegriffen. Mit der Beschränkung der Bewilligung von PKH auf die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG werde die anwaltliche Vertretung des bedürftigen Streitgenossen sichergestellt. Demgegenüber bezwecke die PKH keinen Gleichlauf von PKH-Bewilligung einerseits und Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts andererseits. Die Beschränkung der PKH-Bewilligung auf die Gebührenerhöhung setze nämlich nicht voraus, dass lediglich diese Beträge auch vergütungsrechtlich geschuldet würden. Der bedürftige Streitgenosse würde gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten gem. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO geschützt. Ferner hat der BGH die Auffassung vertreten, auch ein etwaiger nachträglicher Gesamtschuldnerausgleich zwischen den beiden Streitgenossen damit auch ein Ausgleich zugunsten des finanziell leistungsfähigen Streitgenossen stehe dem nicht entgegen. Die anwaltliche Vertretung des bedürftigen Streitgenossen und damit die Prozessführung durch Zubilligung der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG werde nämlich gewährleistet. Dagegen könne der bedürftigen Partei das allgemeine Risiko, nachträglich mit Kosten einer erfolglosen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung belastet zu werden, durch die Bewilligung von PKH nicht abgenommen werden.
Welche Auswirkungen es hat, wenn eine bedürftige, um PKH nachsuchende, Partei durch denselben Rechtsanwalt vertreten wird wie ihr finanziell leistungsfähiger Streitgenosse, ist in Rechtsprechung und Literatur seit Jahrzehnten umstritten. Dieser Streit tritt in zwei verschiedenen Fallges...