Es vergeht kein Abend, an dem eine der Fernsehanstalten nicht einen Kriminalfilm sendet. Die Filmemacher behaupten zwar, dass sie sich an der Wirklichkeit orientieren, gleichwohl vermitteln diese Filme den Eindruck, dass wir in einem Polizeistaat leben.

Kriminalbeamte stürmen in Familienfeiern, Schulunterricht und Vorstandssitzungen stets mit der Rechtfertigung: „Wir ermitteln schließlich in einem Mordfall”. Zeugen oder Verdächtige werden „vorgeladen” oder „einbestellt”.

Es wird der Eindruck vermittelt, dass Vorladungen durch die Polizei bindend sind. Tatsächlich braucht man einer Vorladung durch die Polizei nicht Folge zu leisten, man sollte erst recht nicht zu einer Vernehmung kommen, wenn eine Anhörung als „Beschuldigter” erfolgen soll.

Polizeibeamte fragen und protokollieren im Regelfall ergebnisorientiert. Oft machen die Beschuldigten Aussagen, die vermeintlich entlastend sind, die sich jedoch später als belastend herausstellen.

Generell sollte man davon absehen, bei der Polizei eine Aussage zu machen. Vielmehr ist es angebracht, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, der zunächst die Ermittlungsakte einsieht und dann ggf. eine Einlassung fertigt. Nur der Ladung des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft muss man Folge leisten.

Die Androhung, wegen Behinderung der Justiz belangt zu werden, geht ins Leere, da unsere Rechtsordnung dieses Delikt gar nicht kennt. Strafbar ist lediglich die Strafvereitelung gem. § 258 StGB. Nach dieser Vorschrift wird derjenige bestraft, der vorsätzlich verhindert, dass ein Straftäter überführt wird. Voraussetzung ist zunächst eine vorangegangene Straftat, Teilnehmer der Vortat und deren Angehörige können ohnehin nicht bestraft werden (§ 258 Abs. 5 StGB). Schweigen ist eine Unterlassung, die nur bei einer Garantenstellung strafbar sein könnte. Eine derartige Garantenstellung ist im Regelfall nicht gegeben.

Auf dieser Linie liegen auch regelmäßig vorkommende „Anordnungen” von Polizeibeamten: „Halten Sie sich zu unserer Verfügung, Sie dürfen die Stadt nicht verlassen”. Auch für diese Maßnahme fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Rechtsanwälte werden meistens als Winkeladvokaten dargestellt, die mit allen Mitteln versuchen, eine Bestrafung ihrer Mandanten zu verhindern.

Die wichtigste und oft auch effizienteste Verteidigung, vom Schweigerecht Gebrauch zu machen, kommt praktisch in Kriminalfilmen des Fernsehens nicht vor. Der Grund hierfür dürfte darin liegen, dass die Dramaturgie eines schweigenden Beschuldigten wenig ausbaufähig ist.

Glücklicherweise leben wir nicht in einem Polizeistaat, vielmehr in einem Rechtstaat, der übergriffigen Polizeibeamten enge Grenzen setzt.

ZAP F., S. 161–161

Rechtsanwalt Dr. Hubert W. van Bühren, Köln

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