Frage:
Was wird unter einer anwaltlichen Tätigkeit i.S.d. § 46 Abs. 2 BRAO verstanden?
Eine anwaltliche Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt liegt nach § 46 Abs. 3 BRAO vor, wenn das Anstellungsverhältnis fachlich und inhaltlich weisungsfrei sowie eigenverantwortlich ausgeführt wird und durch folgende Merkmale kumulativ geprägt ist:
- Prüfung von Rechtsfragen;
- Erteilung von Rechtsrat;
- die Ausrichtung der Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere das selbstständige Führen von (Vertrags-)Verhandlungen;
- die Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten.
Diese Tätigkeit kann an ganz unterschiedlichen Stellen im Unternehmen ausgeübt werden. Beispiele hierfür sind:
- Rechtsabteilung;
- Arbeitsrecht in der Personalabteilung;
- eigenverantwortliche Schadensbearbeitung in Versicherungen, z.B. im Bereich der Personengroßschäden oder im Bereich der Vermögensschadenshaftpflicht;
- ausgelagerte Rechtstätigkeiten (Vertragsmanagement, Verwaltungs- und Regulierungsrecht, Kreditrecht etc.);
- Datenschutz und Compliance.
Nur wer als Rechtsanwalt im Unternehmen inhaltlich weisungsfrei ist, ist auch anwaltlich tätig. Jeder Arbeitnehmer, auch der Syndikusrechtsanwalt, ist im Rahmen einer bestimmten Arbeitsorganisation tätig. Daraus folgt das Direktionsrecht des Arbeitgebers. Nicht entscheidend ist, in welchem Umfang das Direktionsrecht nach § 106 S. 1 GewO ausgeübt wird. Es genügt vielmehr, dass dem Dienstverpflichteten aufgrund der vertraglichen Vereinbarung das Recht zusteht und er nach den tatsächlichen Gegebenheiten die Möglichkeit hat, die Durchführung der Beschäftigung entscheidend zu bestimmen (vgl. Rolfs in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl. 2016, § 7 SGB IV Rn 10). Das Vorliegen der fachlichen und inhaltlichen Weisungsfreiheit setzt ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher Selbstständigkeit voraus. Dies ist insbesondere bei sog. Diensten höherer Art der Fall (z.B. BAG v. 20.7.1994, AP Nr. 73 zu BGB § 611 Abhängigkeit). Bei dieser Art von Dienstleistungen von z.B. Ärzten, Rechtsanwälten, Steuerberatern etc. weiß der Dienstleistende aufgrund seiner Ausbildung und Fachkenntnisse regelmäßig selbst, auf welche Art und Weise er die Dienstleistung zu erbringen hat. Er muss in der unternehmerischen Entscheidungskette nicht die letzte Verantwortung übernehmen. Er besitzt für seine Tätigkeit jedoch die fachliche Handlungsverantwortung. Ob der Arbeitgeber dem Rat des Syndikusrechtsanwalts folgt, ist letztendlich unabhängig davon zu bewerten und steht einer anwaltlichen Tätigkeit nicht entgegen.
Möglich dürfte es auch sein, diese vertragliche Erklärung beider Seiten unter die (aufschiebende) Bedingung zu stellen, dass eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt bestandskräftig erteilt wird. Denn nur dann ist der Arbeitnehmer ja tatsächlich in der Lage und in der Pflicht als Syndikusrechtsanwalt aufzutreten. Man kann durchaus bezweifeln, ob diese Regelung wirklich sinnvoll ist. Für die RAK ist dies sicherlich kein Grund, die Zulassung zu verweigern.
Der Nachweis der Voraussetzungen nach § 46 Abs. 3 BRAO erfolgt durch eine ausführliche Tätigkeitsbeschreibung neben der oben vertraglichen Erklärung, dass die Voraussetzungen tatsächlich und vertraglich vorliegen.