Im Unterschied zum Folgenbeseitigungsanspruch, der einen rechtswidrigen Zustand beseitigen soll, ist der öffentlich-rechtliche Abwehr- und Unterlassungsanspruch darauf ausgerichtet, einen bevorstehenden oder andauernden rechtswidrigen Eingriff zu verhindern oder abzuwehren. Der Folgenbeseitigungsanspruch zielt demnach auf die Folgen eines Eingriffs (rechtswidriger Zustand nach Eingriff), wohingegen der öffentlich-rechtliche Abwehr- und Unterlassungsanspruch an die Rechtswidrigkeit des Eingriffs selbst anknüpft.
Da dogmatisch betrachtet der Adressat eines Verwaltungsaktes diesen im Wege des Widerspruchs bzw. der Anfechtungsklage angreifen kann und üblicherweise auch muss, steht beim öffentlich-rechtlichen Abwehr- und Unterlassungsanspruch schlichtes Verwaltungshandeln als hoheitliche Tätigkeit im Fokus. Dies können vornehmlich staatliches Informationshandeln, hoheitlich getätigte Äußerungen oder Immissionen von hoheitlich betriebenen Einrichtungen sein.
Aufbauschema:
Anspruchsgrundlage: gewohnheitsrechtlich anerkannt
Tatbestandliche Voraussetzungen:
- Hoheitlicher Eingriff
- Betroffenheit eines subjektiven Rechts
- Eingriff steht bevor bzw. dauert an
- Rechtswidrigkeit des Eingriffs
Rechtsfolgen:
- Unterlassung/Beendigung des Eingriffs
a) Voraussetzungen
Wie die vorherigen Ansprüche ist auch der öffentlich-rechtliche Abwehr- und Unterlassungsanspruch gewohnheitsrechtlich anerkannt. Zum Teil wird er dogmatisch aus der Abwehrfunktion der Grundrechte abgeleitet, zum Teil wird die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 1004 BGB gesehen. Auch insoweit hat die Herleitung des Anspruchs keine Auswirkungen auf die Tatbestandsmerkmale oder die Rechtsfolgen.
Tatbestandlich setzt der Anspruch voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in ein subjektives Recht vorliegt. Ob ein Eingriff hoheitlich ist, richtet sich nach den allgemeinen Abgrenzungskriterien. Auch mittelbare Eingriffe können dem Hoheitsträger zurechnet werden, wenn diese im Rahmen einer haftungsbegründenden Kausalität als typische Beeinträchtigung gewertet werden können. Subjektive Rechte können sich aus einfach-gesetzlichen Vorschriften und aus Grundrechten ergeben.
Beispiele:
Staatliches Informationshandeln kann ein Eingriff in Art. 12 GG darstellen oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betreffen. Hoheitliche Äußerungen können den Ehrschutz als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) berühren. Immissionen von hoheitlich betriebenen Einrichtungen können in das Recht auf Eigentum (Art. 14 GG) eingreifen oder die körperliche Unversehrtheit oder Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) beeinträchtigen.
Der Eingriff muss bevorstehen oder andauern. Sobald sich der Eingriff erledigt hat oder beendet ist, bleiben der Folgenbeseitigungsanspruch oder Schadenersatz- bzw. Entschädigungsansprüche. Schließlich muss der Eingriff rechtswidrig sein. Dies setzt auch in diesem Zusammenhang voraus, dass den Bürger keine Duldungspflicht trifft, die sich v.a. aus dem Gesetz oder einem wirksamen und vollstreckbaren Verwaltungsakt ergeben kann.
b) Rechtsfolgen
Steht der rechtswidrige Eingriff noch bevor, so ist der Anspruch auf Rechtsfolgenseite auf Unterlassung gerichtet. Hat der Eingriff bereits begonnen und dauert er noch an, begehrt der Anspruchsteller die Abwehr des Eingriffs. Richtet sich der Abwehranspruch gegen eine hoheitliche Tatsachenäußerung (= Wahrheitsgehalt ist dem Beweis zugänglich), so kann ein Widerruf verlangt werden. Gleiches geht bei hoheitlichen Werturteilen nicht, da ein wie auch immer gearteter "Widerruf" die Rechtsbeeinträchtigung wiederholen und damit vertiefen würde. Insoweit bleibt lediglich die Unterlassung als Rechtsfolge.
c) Prozessuales
Wie beim Folgenbeseitigungsanspruch richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Mangels streitentscheidender Norm erfolgt die Zuordnung als öffentlich-rechtliche Streitigkeit kraft Sachzusammenhangs. Demnach muss der Eingriff nach den allgemeinen Abgrenzungskriterien als öffentlich-rechtlich klassifiziert werden, um vor dem Verwaltungsgericht einen Abwehr- oder Unterlassungsanspruch durchsetzen zu können. Als Klageart ist die allgemeine Leistungsklage – zumeist in Form der Unterlassungsklage – statthaft. Im Eilrechtsschutz kommt ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO in Betracht. In den Fällen, in denen hoheitliche Äußerungen abgewehrt oder deren Unterlassung begehrt wird, ist zu beachten, dass nicht der handelnde Beamte Anspruchsgegner und damit Beklagter ist, sondern der Hoheitsträger, dem die (drohende) Äußerung zuzurechnen ist.
Hinweis:
Eine Besonderheit gilt es bei Äußerungen von Ratsmitgliedern zu bedenken. Deren Äußerungen in Ratssitzungen werden nicht der Stadt bzw. der Gemeinde zugerechnet, sodass das Ratsmitglied Anspruchsgegner ist.
d) Spezialfall: Vorbeugender Anspruch auf Unterlassen eines Verwaltungsaktes
Soll der Erlass eines künftigen Verwaltungsaktes abgewehrt werden, so ist dies in besonderen Ausnahmefällen ebenfalls im Rahmen einer Unterlassungsklage möglich. Zu beac...