Bundesjustizminister Marco Buschmann möchte Strafbarkeitslücken im Völkerstrafgesetzbuch schließen. Dazu hat er im Februar ein Eckpunktepapier seines Ministeriums zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts vorgelegt; mit ihm sollen auch die Opferrechte gestärkt und die Wirkung völkerstrafrechtlicher Urteile verbessert werden.
Eine Änderung des Status des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) kann zwar nur zusammen mit allen anderen Vertragsstaaten bewirkt werden; dies wäre kurzfristig kaum umsetzbar. Buschmanns Änderungsvorschläge zielen daher auf Verbesserungen im nationalen Völkerstrafrecht; diese kann der Bundesgesetzgeber autonom bewirken. Das Eckpunktepapier enthält demgemäß Vorschläge zur Fortentwicklung des nationalen Völkerstrafrechts, wie es insb. im Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) geregelt ist. Darüber hinaus enthält es ein Bekenntnis zur Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH). Dessen Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression soll ausgedehnt werden. Bislang können nach dem IStGH-Statut nur Angehörige von Vertragsstaaten wegen des Aggressions-Verbrechens verfolgt werden. Diese Begrenzung werfe eine aktuell sichtbar gewordene Strafbarkeitslücke auf, wie ein Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zeige, heißt es in dem Papier.
Im Einzelnen werden vom BMJ folgende Änderungen vorgeschlagen:
Nebenklagebefugnis für Opfer
Die Rechte von Opfern von Straftaten nach dem VStGB sollen gestärkt werden. Konkret geht es um Menschen, die Opfer eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) oder eines Kriegsverbrechens gegen Personen (§ 8 VStGB) geworden sind. Opfern dieser Straftaten soll die Nebenklagebefugnis eingeräumt werden: Sie sollen sich den in Deutschland wegen solcher Straftaten geführten Verfahren als Nebenklägerinnen oder Nebenkläger anschließen können. Hierzu soll § 395 StPO geändert werden. Parallel dazu sollen die Regeln über die anwaltliche Vertretung von Nebenklägerinnen und Nebenklägern angepasst werden. Wenn Opfer von VStGB-Straftaten als Nebenklägerinnen oder Nebenkläger zugelassen wurden, sollen sie künftig berechtigt sein, ohne weitere Voraussetzungen einen Opferanwalt oder eine Opferanwältin beigeordnet zu bekommen. Insbesondere soll es dafür nicht auf die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe ankommen.
Rezeption von Prozessen nach dem VStGB
Rezeption und Verbreitung wichtiger deutscher Völkerstrafrechtsprozesse sollen gefördert werden. Hierzu soll in § 185 GVG klargestellt werden, dass Medienvertreter in Gerichtsverfahren Verdolmetschungen nutzen können, wenn sie der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Das Bundesministerium der Justiz wird darüber hinaus Übersetzungen wegweisender Urteile zum Völkerstrafrecht in die englische Sprache in Auftrag geben, damit weltweit auch die nicht-deutschsprachige Öffentlichkeit Zugang hierzu bekommt. Zusätzlich soll die wissenschaftliche und historische Rezeption von völkerstrafrechtlichen Verfahren erleichtert werden; hierzu soll v.a. die geplante audiovisuelle Aufzeichnung von Strafprozessen nutzbar gemacht werden.
Schließung von Strafbarkeitslücken
Strafbarkeitslücken im VStGB sollen geschlossen und die dortigen Straftatbestände fortentwickelt werden. § 7 VStGB (Verbrechen gegen die Menschlichkeit) und § 8 VStGB (Kriegsverbrechen gegen Personen) sollen so angepasst werden, dass sie auch den Tatbestand der sexuellen Sklaverei umfassen. Damit soll dem erheblichen Unrechtsgehalt der damit bezeichneten Handlungen und der zunehmenden Bedeutung dieses Tatbestands in der Rechtsprechung des IStGH Rechnung getragen werden. Neu aufgenommen werden sollen in das VStGB außerdem die Tatbestände der Verwendung von Waffen, deren Splitter mit Röntgenstrahlen nicht erkennbar sind, sowie der Verwendung von dauerhaft blindmachenden Laserwaffen. Diese Tatbestände wurden jüngst in das Statut des IStGH aufgenommen; durch Übernahme in das nationale Recht soll zur Bildung entsprechenden Völkergewohnheitsrechts beigetragen werden.
Bundesjustizminister Buschmann erläuterte sein Vorhaben anlässlich der Veröffentlichung des Eckpunktepapiers mit folgenden Worten: „(...) Völkerrechtsverbrechen dürfen nicht ungesühnt bleiben! Deutschland hat eine besondere Verantwortung, dieses Versprechen mit Leben zu füllen: aufgrund unserer Geschichte und aufgrund der Stärke unseres Rechtsstaats. Der brutale russische Angriffskrieg gegen die Ukraine mahnt uns, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Ich setze mich deshalb für eine Fortentwicklung des Völkerstrafrechts ein: Ich will Strafbarkeitslücken schließen und Opferrechte stärken. Egal ob in Butscha, in Damaskus oder andernorts – überall muss gelten: Wenn die Waffen sprechen, schweigt das Recht nicht.”
[Quelle: BMJ]