Die Neue Richtervereinigung (NRV) begrüßt die bereits im Koalitionsvertrag angekündigten Pläne der Bundesregierung, Cannabis für Erwachsene reguliert freizugeben. Eine Kriminalisierung des Besitzes von Cannabis zum Eigenkonsum sei nicht länger zu rechtfertigen, führt die Vereinigung zur Begründung an und fordert, den Besitz geringer Mengen zum Eigenkonsum angesichts einer schon in absehbarer Zeit zu erwartenden Legalisierung bereits jetzt straffrei zu stellen.
In einer Pressemitteilung von Mitte März argumentieren die Richter, dass die Kriminalisierung des Besitzes von Cannabis den Konsum bisher nicht verhindert habe. Trotz aller Prohibitionsbemühungen sei der Konsum dieses mit Alkohol vergleichbaren Betäubungsmittels weit verbreitet. Während für den Konsum im Jugendalter erhebliche Gesundheitsgefahren belegt seien, unterschreite das Konsumrisiko für Erwachsene je nach Konsumform die Gefahren von Alkohol- und Tabakgenuss. „Eine kontrollierte, staatlich überwachte Abgabe stellt angesichts dessen ein im Verhältnis zur Strafdrohung milderes, effektiveres Mittel dar”, meint Dr. Daniel Eckstein vom Bundesvorstand der NRV.
Allerdings werde die Etablierung eines solchen staatlichen Abgabesystems Zeit und Ressourcen in Anspruch nehmen; dies könne in der Übergangszeit nicht zulasten der Konsumierenden gehen. Es sei unangemessen, den Besitz von Konsummengen bis zum Abschluss dieses langen Prozesses weiterhin zu kriminalisieren. Der Gesetzgeber sei deshalb aufgerufen, § 29 BtMG anzupassen und den Besitz von Cannabis von bis zu 30 Gramm straffrei zu stellen. Dies würde Polizei und Justiz massiv entlasten. In diesem Zusammenhang verweist die NRV darauf, dass derzeit 180.000 konsumbezogene Delikte pro Jahr verfolgt werden; hierbei gebe es zwischen den Bundesländern zudem noch eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Konsumierenden, weil die „geringe Menge”, bis zu der eine Verfahrenseinstellung nach § 31a BtMG erfolgen soll, länderspezifisch unterschiedlich gehandhabt wird.
Auch das Fahrerlaubnisrecht sowie die Straftatbestände der §§ 315c, 316 StGB seien anzupassen. Aktuell verlören cannabiskonsumierende Menschen auch Tage nach dem letzten Konsum ihre Fahrerlaubnis wegen nicht mehr aktiver Restmengen des Wirkstoffs THC. Bis heute fehle eine gesetzliche Normierung der Grenzwerte der Fahruntüchtigkeit für Cannabis. Eine Mindestintoxikationsschwelle wie z.B. 0,3 Promille Blutalkoholkonzentration erkenne die Rechtsprechung nicht an. Um Ungleichbehandlungen von Alkohol- und Cannabiskonsumierenden abzubauen, den festzustellenden tatsächlichen Gefahren effektiv zu begegnen und die Bestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG) des Verkehrsstrafrechts zu optimieren, sei eine gesetzliche Normierung maßgeblicher Grenzwerte geboten.
Bedenken im Hinblick auf das EU-Recht sehen die Richter nicht. Das europäische Recht stehe einer Straffreiheit des Besitzes von Cannabis zum Eigenkonsum nicht entgegen. Im Einklang mit den Vorgaben des Rahmenbeschlusses und des Schengener Durchführungsabkommens erwartet die NRV, dass der Gesetzgeber den Verkauf auf dem Schwarzmarkt durch ein überwachtes, zur Prävention von Abhängigkeit geeignetes und auf den nationalen Markt beschränktes Abgabesystem ersetzt. Denn eine Entkriminalisierung könne nicht abgeschlossen werden ohne Legalisierung des Bezugswegs. Was schließlich die unter 18-jährigen Konsumenten betrifft, teilt aber auch die NRV die Auffassung, dass das Handeltreiben mit und die Abgabe von Cannabis an Minderjährige weiter zu bestrafen ist.
[Quelle: NRV]