Die Beteiligten streiten um die anteilige Erstattung der Kosten einer Kinderwunschbehandlung.
Die Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Ihr Ehemann ist zu 50 % Beihilfe berechtigt, im Übrigen privat krankenversichert. Die private Krankenversicherung des Ehemannes hatte die Kostenübernahme für drei Versuche einer Kinderwunschbehandlung bereits früher zugesagt, die Beihilfestelle hatte eine Übernahme abgelehnt, weil die Aufwendungen allein der Klägerin und nicht ihrem Ehemann zuzuordnen seien. Die Klägerin beantragte unter Vorlage eines Behandlungsplans und eines Kostenvoranschlags im Juni 2019 die Kostenübernahme für künstliche Befruchtung mittels Intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) wegen Fertilitätsstörung ihres Ehemannes. Dies lehnte die Beklagte ab mit der Begründung, die private Krankenversicherung des Ehepartners übernehme bereits 50 % ihrer Behandlungskosten. Der Klägerin verbleibe der grds. hälftige Eigenanteil nach § 27a Abs. 3 S. 3 SGB V.
Die Klägerin ließ die Kinderwunschbehandlung in der Zeit von Juli bis September 2019 durchführen, wofür ihr und ihrem Ehemann GOÄ-konforme Kosten von insgesamt 5.037,44 EUR entstanden sind. Die Hälfte dieses Betrages machte die Klägerin als Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 S. 1 Fall 2 SGB V gegen die Beklagte geltend. Die Vorinstanzen lehnten den Anspruch unter Hinweis auf § 27a Abs. 3 S. 3 SGB V ab. Diese hälftigen Kosten seien bereits von der privaten Krankenversicherung des Ehemannes übernommen worden. Die Revision der Klägerin war erfolgreich (BSG 29.8.2023 – B 1 KR 13/22 R; hierzu Knispel, juris PR-SozR 2/2024, Anm. 1).
Der Anspruch eines Versicherten gegen seine Krankenkasse gem. § 27a SGB V umfasst zunächst alle Maßnahmen, die bei ihm, d.h. unmittelbar an oder in seinem Körper erforderlich sind. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber Klarstellung für den Fall treffen, dass die Ehegatten nicht in derselben Krankenkasse versichert sind oder dass – wie vorliegend – nur einer der Ehegatten in der gesetzlichen Krankenkasse versichert ist. In diesen Fällen hatte die Krankenkasse nur die Kosten der Maßnahme zu übernehmen, die bei dem Ehegatten durchgeführt werden, der bei ihr versichert ist. Unabhängig davon, bei welchem Ehegatten die Unfruchtbarkeit vorliegt, hat ein Versicherter darüber hinaus gegen seine Krankenkasse einen Anspruch auf extrakorporale Behandlungsmaßnahmen, also solche, die nicht unmittelbar bei dem Versicherten selbst oder bei seinem Ehegatten, d.h. unmittelbar an bzw. in seinem Körper, durchzuführen sind (s. näher Rn 18 der Entscheidung).
Vorliegend kann die Klägerin, so das BSG, einen hälftigen Zuschuss zu den entstandenen, nach dem vorgenannten Maßstab ihr zuzuordnenden Kosten beanspruchen. Durch die Verweigerung der Sachleistung konnte sie sich nach der Leistungsablehnung die Behandlung nur privatärztlich verschaffen, der Höhe nach sind die Kosten nicht etwa begrenzt durch die Verschaffung einer entsprechenden Leistung nach dem vertragsärztlichen Naturalleistungssystem (s. bereits BSG 11.9.2012 – B 1 KR 3/12 R, juris Rn 33). Ferner entscheidet das BSG, für die Entstehung des Anspruchs der Klägerin sei es unerheblich, dass nicht nur sie Anspruch auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a SGB V hatte, sondern auch ihr Ehemann Anspruch auf Kosten dieser Maßnahme hatte aufgrund seiner privaten Krankenversicherung (zur Rechtslage insoweit s. BGH 3.3.2004 – IV ZR 25/03, juris Rn 19). Das SGB V sieht es nicht als Ausschlussgrund an, dass Versicherte oder ihre Ehegatten zusätzlich zum Anspruch nach dem SGB V einen entsprechenden weiteren Anspruch gegen eine private Krankenversicherung haben. Die Verpflichtung der Beklagten auf Erstattung von 50 % der Kosten ist demnach vorliegend nicht durch die gewählte Inanspruchnahme der Leistungen der privaten Krankenversicherung des Ehemannes der Klägerin erloschen (s. näher Rn 24 ff. des Urt.).
Es steht demnach fest, dass Ehegatten, die unterschiedlichen Krankenversicherungssystemen angehören, ein Wahlrecht zwischen den Ansprüchen zusteht, wenn sie sich überschneidende Ansprüche auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft haben. Im Falle eines solchen Wahlrechts lässt die vollständige Erfüllung des Anspruchs gegen die private Krankenversicherung auch den gleichgerichteten, sich innerlich überschneidenden Anspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung erlöschen. Von einer innerlichen Überschneidung der Ansprüche ist jedoch nur insoweit auszugehen, als andernfalls eine Überkompensation eintritt, was nur vorliegt, wenn mehr als 100 % der tatsächlich entstandenen Aufwendungen ersetzt würden.