Eine wirksame außerordentliche Kündigung setzt gem. § 626 Abs. 1 BGB einen wichtigen Grund voraus, der die einseitige fristlose Beendigung des Arbeitsvertrages rechtfertigt. Ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
1. Zweistufige Prüfung
Die Rechtsprechung bedient sich zur Klärung der Frage, ob eine solche Unzumutbarkeit vorliegt, eines zweistufigen Schemas. Zunächst muss der Sachverhalt "an sich" geeignet sein, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 BGB darzustellen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass das Gesetz keine "absoluten" Kündigungsgründe kennt. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen (BAG, Urt. v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09 "Emmely", NZA 2010, 1227, Rn 16). Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die konkreten Umstände des Einzelfalls eine Unzumutbarkeit i.S.d. § 626 BGB begründen, die zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.
Hinweis:
Die Prüfung erfolgt stets zweistufig:
- Der Sachverhalt ist "an sich" geeignet, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 BGB darzustellen.
- Die konkreten Umstände begründen eine Unzumutbarkeit im Einzelfall.
Im Zuge der umfassenden Abwägung der Parteiinteressen ist dabei ein objektiver Maßstab anzulegen. So soll ermittelt werden, ob nicht doch ein Verstreichen der Kündigungsfrist bzw. der Ablauf des Arbeitsvertrags (z.B. im Fall einer Befristung) abgewartet werden kann. Die fristlose Kündigung ist immer "Ultima Ratio".
Wie die ordentliche Kündigung kann sich die außerordentliche Kündigung auf verhaltens-, personen- und betriebsbedingte Gründe stützen.
2. Verhaltensbedingte Gründe
In den meisten Fällen erfolgt eine außerordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen. Sie erfordert zu ihrer Wirksamkeit ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers. Die Verletzung kann Haupt- und Nebenleistungspflichten betreffen, aber auch sonstige Nebenpflichten, die aus dem Gebot der Rücksichtnahme gem. § 241 Abs. 2 BGB erwachsen (BAG, Urt. v. 20.10.2016 – 6 AZR 471/15, NZA 2016, 1257, Rn 18).
Beispiele:
- Arbeitsverweigerung: Die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist "an sich" geeignet, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachdrücklich nicht leisten will. Ob er zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, bestimmt sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grds. er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (BAG, Urt. v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, NZA 2018, 646, Rn 29; v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417, Rn 22).
- Beleidigung: Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, stellen einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar und sind an sich geeignet, eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG, Urt. v. 21.1.1999 – 2 AZR 665/98, NZA 1999, 863, Rn 12).
- Konkurrenztätigkeit: Ein Verstoß gegen das Verbot, während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten zu entfalten, ist "an sich" geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden (BAG, Urt. v. 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, NZA 2015, 429, Rn 27).
- Selbstbeurlaubung: Wer der Arbeit unentschuldigt fernbleibt, kann eine außerordentliche Kündigung erhalten (BAG, Urt. v. 22.1.1998 – 2 ABR 19/97, NZA 1998, 708, Rn 21). Das gilt auch, wenn ein Urlaubsantrag abgelehnt wurde und der Arbeitnehmer dennoch Urlaub macht.
- Strafbare Handlungen des Arbeitnehmers: Eigentums- oder Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers können eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen. Dasselbe gilt für Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit einer Person in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis.
- Verstöße gegen die betriebliche Ordnung oder konkrete Störung des Betriebsfriedens: Verletzung des betrieblichen Rauch- oder Alkoholverbots (BAG, Urt. v. 27.9.2012 – 2 AZR 955/11, NZA 2013, 425, Rn 35) oder ausländerfeindliche und rechtsextremistische Betätigung.
3. Betriebsbedingte Gründe
Eine auf betriebsbedingte Gründe gestützte außerordentliche Kündigung ist der Ausnahmefall. Sie kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (sog. sinnentleertes Arbeitsverhältnis). Allerdings ist der Arbeitgeber in diesem Fall in besonderem Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgende...