I. Vorbemerkung
Das schärfste Schwert des Arbeitsrechts ist die außerordentliche Kündigung. Meistens – aber nicht zwingend – wird sie als fristlose Kündigung ausgesprochen und beendet ein Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Maßgebliche Vorschrift ist § 626 BGB. Das in dieser Vorschrift vorgesehene Recht zur außerordentlichen Kündigung steht grds. nicht zur Disposition der Vertragsparteien. Das bedeutet zum einen, dass die außerordentliche Kündigung weder durch einzelvertragliche Vereinbarung noch durch kollektive Normen ausgeschlossen oder eingeschränkt werden kann. Unzulässig ist zum anderen aber auch jede einzel- oder kollektivvertragliche Erweiterung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung. Für die außerordentliche Kündigung gelten die allgemeinen Form- und Wirksamkeitsvoraussetzungen.
Hinweis:
Auch die außerordentliche Kündigung muss schriftlich erfolgen (§ 623 BGB). Sie wird als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung erst mit ihrem Zugang bei dem Arbeitnehmer wirksam. Schließlich muss der Kündigung unmissverständlich entnommen werden können, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich aus wichtigem Grund beenden möchte.
Die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kommt nur dann in Frage, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt und die Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers ausfällt.
II. Wichtiger Grund
Eine wirksame außerordentliche Kündigung setzt gem. § 626 Abs. 1 BGB einen wichtigen Grund voraus, der die einseitige fristlose Beendigung des Arbeitsvertrages rechtfertigt. Ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
1. Zweistufige Prüfung
Die Rechtsprechung bedient sich zur Klärung der Frage, ob eine solche Unzumutbarkeit vorliegt, eines zweistufigen Schemas. Zunächst muss der Sachverhalt "an sich" geeignet sein, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 BGB darzustellen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass das Gesetz keine "absoluten" Kündigungsgründe kennt. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen (BAG, Urt. v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09 "Emmely", NZA 2010, 1227, Rn 16). Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die konkreten Umstände des Einzelfalls eine Unzumutbarkeit i.S.d. § 626 BGB begründen, die zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.
Hinweis:
Die Prüfung erfolgt stets zweistufig:
- Der Sachverhalt ist "an sich" geeignet, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 BGB darzustellen.
- Die konkreten Umstände begründen eine Unzumutbarkeit im Einzelfall.
Im Zuge der umfassenden Abwägung der Parteiinteressen ist dabei ein objektiver Maßstab anzulegen. So soll ermittelt werden, ob nicht doch ein Verstreichen der Kündigungsfrist bzw. der Ablauf des Arbeitsvertrags (z.B. im Fall einer Befristung) abgewartet werden kann. Die fristlose Kündigung ist immer "Ultima Ratio".
Wie die ordentliche Kündigung kann sich die außerordentliche Kündigung auf verhaltens-, personen- und betriebsbedingte Gründe stützen.
2. Verhaltensbedingte Gründe
In den meisten Fällen erfolgt eine außerordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen. Sie erfordert zu ihrer Wirksamkeit ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers. Die Verletzung kann Haupt- und Nebenleistungspflichten betreffen, aber auch sonstige Nebenpflichten, die aus dem Gebot der Rücksichtnahme gem. § 241 Abs. 2 BGB erwachsen (BAG, Urt. v. 20.10.2016 – 6 AZR 471/15, NZA 2016, 1257, Rn 18).
Beispiele:
- Arbeitsverweigerung: Die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist "an sich" geeignet, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachdrücklich nicht leisten will. Ob er zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, bestimmt sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grds. er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (BAG, Urt. v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, NZA 2018, 646, Rn 29; v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417, Rn 22).
- Beleidigung: Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, stellen einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar und sind an sich geeignet, eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG, Urt. v. 21.1.1999 – 2 AZR 665/98, NZA 1999, 863, Rn 12).
- Konkurrenztätigkeit: Ein Verstoß gegen das Verbot, während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten zu entfalten, ist "an sich" geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden (BAG, Urt. v. 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, NZA 2015, 429, Rn 27).
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