Bekannt geworden sind einschließlich der eingangs erwähnten beiden Urteile des OLG Hamburg fünf Entscheidungen (zwei davon ergingen gegen Inkassounternehmen) mit folgenden Sachverhalten – alle Verbraucher als Kunden betreffend:

  1. Aktivierung von Vertragsmodulen ohne Kenntnis und Zustimmung des Kunden: Es ging um SIM-Karten, auf denen Internetzugangs- und Mailboxsysteme vorinstalliert und aktiviert sind, ohne dass der Verbraucher zuvor darüber und über die Kosten aufgeklärt wurde. Die Kosten für die Benutzung wurden dem Nutzer in Rechnung gestellt, wenn die Dienste nicht auf seinen ausdrücklichen Wunsch abgestellt worden waren, und zwar ohne dass der Nutzer zuvor darüber aufgeklärt worden war, dass es diese Dienste gab oder sie dann kostenpflichtig waren (EuGH, Urt. v. 13.9.2018 – C-54/17 und C-55/17).
  2. Falsche Auskunft im Vertragsverhältnis: Eine Anbieterin von Kabelfernsehdiensten teilte einem langjährigen Kunden, der kündigen wollte und danach fragte, auf welchen Zeitraum sich eine ihm zugegangene Rechnung beziehe (Zeitraum ging aus der Rechnung nicht hervor), aufgrund eines (angeblichen) Bearbeitungsfehlers einen falschen Abrechnungszeitraum mit (EuGH, Urt. v. 16.4.2015 – C-388/13 – Ungarische Verbraucherschutzbehörde).
  3. Kostenpflichtiger Vertrag über ein E-Mail-Postfach, beruhend auf einem „Identitätsdiebstahl”: Der Diensteanbieter forderte für einen tatsächlich nicht bestehenden Vertrag über ein Inkassounternehmen und nachfolgend noch durch einen Rechtsanwalt die Vergütung sowie Kostenerstattung, nach weiterer Prüfung wurden die Forderungen storniert (BGH (Urt. v. 6.6.2019 – I ZR 216/17 – Identitätsdiebstahl, ZAP EN-Nr. 631/2019).
  4. Überhöhte Einforderung von Inkassokosten betreffend eine Onlinebestellung: Ein Inkassounternehmen hatte für seinen Auftraggeber (Online-Apotheke) dessen Anspruch auf Erstattung von Inkassokosten in einer nicht gerechtfertigten Höhe geltend gemacht (OLG Hamburg, Urt. v. 11.6.2020 – 15 U 88/19).
  5. Inkassomahnschreiben wegen Forderung aus – tatsächlich nicht bestehendem – Mobilfunkvertrag: Ein Inkassounternehmen hatte auftragsgemäß Ansprüche aus einem Mobilfunkvertrag geltend gemacht. Nach Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht klärte sich (endgültig), dass dieser nicht zustande gekommen war (OLG Hamburg, Urt. v. 28.1.2021 – 15 U 128/19, ZAP EN-Nr. 128/2021) – damit befasst sich dieser Beitrag.

Um die Reichweite des Begriffs der geschäftlichen Handlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG) im Zusammenhang mit der Behandlung und Bearbeitung von Rechtsfällen noch transparenter zu machen, kann auf zwei BGH-Urteile (v. 25.4.2019 – I ZR 93/17 – Prämiensparvertrag; v. 10.1.2013 – I ZR 190/11 – Standardisierte Mandatsbearbeitung) Bezug genommen werden. In diesen Fällen hatten die Klagen und die Revisionen zwar keinen Erfolg. Aber der BGH hat einige beispielhafte Situationen angeführt, die einen Unterlassungsanspruch wegen Irreführung (§ 5 UWG), der sich auf Verbraucher und andere Marktteilnehmer erstreckt, begründen können:

  • Ausführungen zur Rechtslage, wenn diese nicht als Äußerung einer Rechtsansicht, sondern als Feststellung zu verstehen sind. Im konkreten Fall ging es um ein Kündigungsschreiben und seine rechtlichen Folgen (BGH – Prämiensparverträge, Rn 32).
  • „objektiv falsche rechtliche Auskunft eines Unternehmers, die er auf eine ausdrückliche Nachfrage des Verbrauchers erteilt” (BGH – Prämiensparverträge, Rn 32).
  • Systematische Schlechtleistung, die bei Vertragsabschluss verschwiegen wird (BGH – Standardisierte Mandatsbearbeitung, Rn 28).
  • Bereitschaft, sich über das Lügeverbot (§ 43a Abs. 3 S. 2 BRAO) hinwegzusetzen, um Mandate zu generieren (BGH – Standardisierte Mandatsbearbeitung, Rn 28).
  • Bestreiten eines Mangels oder einer Zahlungsaufforderung, um Kunden von der Gelendmachung von Gewährleistungsrechten abzuhalten, wobei bloße „Reflexwirkungen” nicht genügen (BGH – Standardisierte Mandatsbearbeitung, Rn 26, 29).

Die Entscheidung des BGH „Prämiensparverträge” zeigt, wie schmal der Grat zwischen einer Meinungsäußerung in einem Rechtsfall und einer Feststellung ist, wenn z.B. eine gesicherte Rechtsprechung zur Überzeugungsbildung angeführt wird. Aus der BGH-Entscheidung „Standardisierte Mandatsbearbeitung” kann abgeleitet werden, dass es bei der Abwägung eine Rolle spielt, ob Rechtsansichten im konkreten Fall oder weitergehend im Rahmen einer z.B. mittels Webseiten betriebenen allgemeinen Mandatsakquise erfolgen.

Eine geschäftliche Handlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG) ist jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder fremden Unternehmens bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Damit ist eine Abgrenzung des Lauterbarkeitsrechts zum allgemeinen Deliktsrecht hergestellt (Standardisierte Mandatsbearbeitung, Rn 17). Falls z.B. ein Anwalt lügt oder Dienstleistungen nicht ordnungsgemäß erbringt, ist das lauterkei...

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