Das Berufungsgericht hat den sich aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 5 Abs. 1 UWG (bzw. dem insoweit identischen § 5 Abs. 1 S. 1 UWG a.F.) ergebenden Unterlassungsanspruch eingehend durchgeprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass im vorliegenden Fall der Irreführungstatbestand, so wie der EuGH und der BGH diesen – richtlinienkonform – auslegen, nicht erfüllt ist. Nach der hier relevanten Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 7 UWG n.F. (§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG a.F.) ist eine geschäftliche Handlung dann irreführend, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über Rechte des Verbrauchers enthält („Rechte des Verbrauchers, insbesondere solche aufgrund von Garantieversprechen oder Gewährleistungsrechte bei Leistungsstörungen”).
1. Rechtsäußerung der Beklagten war nicht zutreffend
Die Unterlassungsklage scheiterte nicht bereits daran, dass die Rechtsmeinung der Beklagten zutreffend war. Das OLG Köln führte insofern aus, dass im konkreten Fall ein Fernabsatzvertrag vorgelegen hatte. Die Verträge betreffend die Erbenermittlung schließt die Beklagte unstreitig regelmäßig ab unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, zu denen nach § 312c Abs. 2 BGB auch Briefpost zählt. Dies erfolgt im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Systems (§ 312c Abs. 1 letzter Halbsatz BGB). Somit bestand für Frau I. ein Widerrufsrecht gem. § 312g Abs. 1 BGB. Eine Ausnahmeregelung (§ 312g Abs. 2 BGB) kam nicht in Betracht; hierauf hatte sich die Beklagte auch nicht berufen.
2. Schreiben der Beklagten als geschäftliche Handlung
Das angegriffene Schreiben der Beklagten stellt eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 5 Abs. 1 UWG n.F. (entspricht § 5 Abs. 1 S. 1 UWG a.F.) dar. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG n.F. (entspricht § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a.F.) ist eine solche u.a. jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen Unternehmens – auch nach einem Geschäftsabschluss –, das mit der Durchführung eines Vertrags über Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt. Eine geschäftliche Handlung kann auch in einem Verhalten liegen, das sich auf die geschäftliche Entscheidung von Verbrauchern im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses auswirkt (BGH, Urt. v. 10.1.2013 – I ZR 190/11, Standardisierte Mandatsbearbeitung). Das von der Beklagten versandte Schreiben hing mit der weiteren Durchführung des Erbenermittlervertrags objektiv zusammen.
3. Äußerungen der Beklagten sind „Angaben”
Bei den im angegriffenen Schreiben beanstandeten Äußerungen handelt es sich um Angaben i.S.d. § 5 Abs. 2 UWG n.F. (entspricht § 5 Abs. 1 S. 2 UWG a.F.). Diese sind zum einen objektiv unrichtige, aber auch sonst zur Täuschung geeignete Angaben. Unter den Begriff der „Angabe” fallen nicht nur Tatsachenbehauptungen, sondern bei gebotener richtlinienkonformer Auslegung ggf. auch Meinungsäußerungen. Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 UWG n.F. (entspricht § 5 Abs. 1 S. 2 UWG a.F.) dient der Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 der RL 2005/29/EG, die neben generell unwahren Angaben auch alle Geschäftspraktiken, die in irgendeiner Weise – also sowohl durch wahre, täuschende bzw. zur Täuschung geeignete Angaben als auch Meinungsäußerungen – zur Täuschung des Durchschnittsverbrauchers geeignet sind, erfasst (vgl. BGH, Urt. v. 25.4.2019 – I ZR 93/17, Prämiensparverträge).
4. Tatbestandliche Einschränkung bei Aussagen zur Rechtslage
Aussagen über die Rechtslage werden allerdings nur in bestimmten Fällen von § 5 Abs. 1 UWG erfasst. Aus rechtsstaatlichen Gründen ist insofern eine Einschränkung des Anwendungsbereichs beim Irreführungstatbestand vorzunehmen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 5 Rn 8.3 sowie 1.18 m. Nachw.). Einem Unternehmer darf für die Wahrnehmung seiner Rechte nicht verwehrt sein, seine (ggf. auch falsche) Rechtsansicht zu verlautbaren. Dabei ist entscheidend, wie der Verbraucher die Äußerung des Unternehmers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insb. der Art und Weise der Äußerung, auffasst. Ist für die betroffenen Verkehrskreise erkennbar, dass es sich um eine i.R.d. Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung geäußerte Rechtsansicht handelt, fehlt dieser Äußerung im rechtlichen Sinne die erforderliche Eignung zur Täuschung. Ob eine solche Rechtsansicht richtig ist, kann nicht im Wettbewerbsprozess, sondern muss in dem Rechtsverhältnis geprüft und entschieden werden, auf das sich diese Rechtsansicht bezieht. Dagegen werden Äußerungen erfasst, in denen der Unternehmer eine eindeutige Rechtslage behauptet, die tatsächlich nicht besteht, sofern der Kunde die Aussage nicht als Äußerung einer Rechtsansicht, sondern als Feststellung versteht (BGH, Urt. v. 25.4.2019 – I ZR 93/17, Prämiensparverträge).
Die Beklagte hatte in den angegriffenen Schreiben unter Bezugnahme auf das Schreiben ihrer Kundin I. v. 28.6.2021 geäußert, dass deren Widerruf zurückgewiesen werde. In diesem Schreiben führte die Beklagte weiter aus, dass die Kundin das ursprüngliche Vertragsangebot händisch abgeändert habe. Dies habe sie (die Beklagte) angenommen. Insofern sei ein Widerruf der Kundin nicht möglich und werde insofern zurückgewiesen. Eine eindeutige Rechtslage wird hingegen nicht behauptet. In dem vom BGH entschiedenen Fall „Prämiensparverträge” hatte die dor...