Leitsatz
Vor dem Beitritt erfolgte Annahmeverhältnisse von minderjährigen Kindern haben die Wirkung einer Volladoption.
LG Mühlhausen, Urteil vom 21. Oktober 2008 – 3 O 678/07
Sachverhalt
Die Parteien streiten um Pflichtteilsansprüche.
Der am 14.7.1947 geborene Kläger und die Beklagten sind Halbgeschwister und leibliche Kinder des am 26.1.2006 in Ilfeld verstorbenen Herrn … . Der Kläger entstammt der ersten, geschiedenen Ehe des Erblassers, die Beklagten entstammen der zweiten Ehe des Erblassers, dessen Ehefrau im Mai 1994 vorverstorben ist.
Nach der Wiederheirat der Mutter des Klägers wurde der im Beitrittsgebiet lebende Kläger am 6.6.1956 von dem zweiten Ehemann der Mutter, Herrn …, adoptiert und führt seitdem den Familiennamen ... .
Der Erblasser errichtete am 1.7.1994 ein handschriftliches Testament, worin er die beiden Beklagten zu gleichen Teilen als seine Erben einsetzte.
Mit Schreiben des Amtsgerichts – Nachlassgericht – vom 9.5.2006 (Bl. 7 dA) teilte das Amtsgericht Nordhausen dem Kläger den Erbfall und die testamentarische Erbfolge mit und wies darauf hin, dass der Kläger trotz der Adoption vom 6.6.1956 wohl mit dem Erblasser verwandt geblieben sei.
Daraufhin machte der Kläger über seine Prozessbevollmächtigten zunächst außergerichtlich die jetzt rechtshängigen Pflichtteilsansprüche geltend.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die am 6.6.1956 erfolgte Adoption keine Volladoption darstelle und hieran auch die späteren gesetzlichen Regelungen nichts geändert hätten. Weder habe sich durch Einführung des FGB-DDR noch durch den Einigungsvertrag eine Änderung ergeben. Deswegen sei der Kläger mit dem Erblasser verwandt und entsprechend neben den Beklagten pflichtteilsberechtigt.
Aus den Gründen
Die Klage ist zulässig. Das Feststellungsinteresse für den Klageantrag zu Ziffer 2) ergibt sich aus der Tatsache, dass auf beiden Seiten mit nachvollziehbaren rechtlichen Argumenten um die Frage gestritten wird, ob der Kläger und der Erblasser noch verwandt waren oder nicht. Die Klärung dieser schwierig zu beantwortenden Frage begründet das Feststellungsinteresse für den Klageantrag zu 2).
Die Klage ist aber unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagten nicht zu, da kein Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser bestand. Die Adoption hat die Wirkung einer Volladoption.
Bei Inkrafttreten des BGB am 1. Januar 1900 bezweckten die Regelungen zur "Annahme an Kindes statt" nicht die Vermittlung minderjähriger, heutzutage meist neugeborener Kinder in eine Familie unter Kindeswohlgesichtspunkten. Die Annahme bereits Volljähriger war die Regel. Die Adoption war die Beschaffung eines Erben zur Daseinssicherung im Alter. Deswegen führten die ursprünglichen Regelungen des BGB nicht zu einer sog. Volladoption. Vielmehr war im Einzelnen geregelt, welche Rechte und Pflichten in dem vertraglich neubegründeten Verhältnis zwischen Annehmenden und Adoptierten bestand. Insbesondere blieben die Verwandtschaftsverhältnisse zur bisherigen Familie im Falle der Minderjährigenadoption bestehen (vgl. BGB §§ 1741 ff in der Fassung vor 1976).
Dies war auch noch 1956 der Stand des in der DDR fortgeltenden BGB. Zu diesem Zeitpunkt gab es im BGB-DDR lediglich leichte Veränderungen gegenüber dem in der Bundesrepublik geltenden BGB. Es galt zu diesem Zeitpunkt, Ost wie West, dass die Adoption eines Minderjährigen nicht die Wirkung einer Volladoption hatte, mithin das Verwandtschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern bestehen blieb (vgl. Bürgerliches Gesetzbuch nebst wichtigen Nebengesetzen, Textausgabe mit Anmerkungen Sachregister, herausgegeben vom Ministerium für Justiz der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik 1954 – VEB Deutscher Zentralverlag Berlin).
Zwar gab es bereits das im Rahmen vom Besatzungsrecht erlassene "Gesetz vom 4. Mai 1948 über die Erleichterung der Annahme an Kindes statt" (Regierungsblatt des Landes Thüringen vom 28. Mai 1948, S. 69 f). Dieses Gesetz traf jedoch in seinen sieben Artikeln lediglich Regelungen für Kriegswaisen bzw. Kindern von zu Unrecht für tot gehaltenen Eltern. Eine Regelung über die Frage des Erlöschens des Verwandtschaftsverhältnisses zu den leiblichen Eltern wurde darin nicht getroffen. Zum Zeitpunkt der Adoption am 6.6.1956 war der Kläger daher noch mit dem Erblasser, seinem leiblichen Vater, verwandt.
Am 1.1.1957 trat in der DDR die "Verordnung über die Annahme an Kindes statt" vom 29.11.1956 (Gesetzblatt der DDR I, 1326) in Kraft. In § 8 dieses Gesetzes begründete die Annahme an Kindes statt zwischen dem Annehmenden und dem Adoptierten die gleichen Rechte und Pflichten, wie sie zwischen leiblichen Verwandten bestehen. § 9 Abs. 1 dieses Gesetzes regelt: "Mit der Annahme an Kindes statt erlöschen alle aus dem Verhältnis zwischen dem Kinde und seinen leiblichen Verwandten sich ergebenden Rechte und Pflichten."
Diese Verordnung trat gemäß § 19 der Verordnung am 1. Januar 1957 in Kraft, gleichzeitig traten die §§ 1741–1772 des BGB außer Kraft. Übergangsvorschriften wurden lediglich in § 15 der Verordnung für sog...