Leitsatz
1. Werden gegen die Einziehung eines Erbscheins Einwände erhoben, hat der Rechtspfleger das Verfahren nach dem landesrechtlichen Richtervorbehalt des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nds. ZustVO-Justiz dem Nachlassrichter zur weiteren Bearbeitung vorzulegen.
2. Hat statt des zuständigen Richters der unzuständige Rechtspfleger entschieden, ist die Sache – unabhängig von ihrer etwaigen inhaltlichen Richtigkeit – vom Beschwerdegericht aufzuheben, an das Nachlassgericht zurückzuverweisen und zugleich dem Richter vorzulegen.
OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.1.2021 – 3 W 118/20
1 Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Einziehung eines gemeinschaftlichen Erbscheins.
1. Die Beteiligten sind die einzigen Kinder der Erblasserin. Die Erblasserin hat mit privatschriftlichem Testament vom 29.12.2005 beide Beteiligte zu ihren Erben eingesetzt. Auf Antrag des Beschwerdeführers hat das Nachlassgericht auf Basis dieses Testaments den gemeinschaftlichen Erbschein vom 28.8.2019 erteilt, der beide Beteiligte als Erben zu je ½ ausweist.
Am 21.2.2020 hat die Beteiligte zu 2. das privatschriftliche Testament der Erblasserin vom 3.3.2008 bei dem Nachlassgericht abgeliefert; sie habe dieses in einem Umschlag beim Auflösen der Wohnung der Erblasserin gefunden. Die Beteiligte zu 2. geht davon aus, dass das Testament vom 3.3.2008 richtig datiert und tatsächlich jünger als das Testament vom 29.12.2005 sei, so dass der Erbschein einzuziehen sei. Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom 23.4.2020 Einwände gegen die Einziehung des Erbscheins erhoben; er zweifelt an, dass das Testament vom 3.3.2008 tatsächlich zeitlich nach dem vom 29.12.2005 errichtet worden sei; es bestehe der Verdacht, dass das Datum auf dem vermeintlich jüngeren Testament nachträglich angebracht worden sei.
2. Das Nachlassgericht hat durch angefochtenen Beschluss der Rechtspflegerin vom 4.6.2020 den Erbschein vom 28.8.2019 eingezogen. Nach dem Testament vom 3.3.2008 hätten sich die Erbteile geändert. Das Datum auf diesem Testament stamme augenscheinlich von der Erblasserin; es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, die dafür sprächen, dass das Datum erst später auf dem Testament angebracht worden sei.
Der Beschwerdeführer hat gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 10.6.2020 zugestellten Beschluss mit Schriftsatz vom 6.7.2020 – eingegangen am selben Tage – Beschwerde eingelegt. Es könne nicht übergangen werden, dass ein Sachverständigengutachten unter anderem zur Frage der Datierung des neuen Testaments beantragt worden sei. Es sei nicht auszuschließen, dass es sich zunächst um ein Testament ohne Datumsangabe gehandelt habe, sodass es ungültig sei, § 2247 Abs. 5 BGB. Nur die Zeichen des Datums seien bis in die Rückseite des Papiers durchgedrückt, nicht aber der Rest der Schrift. Die Beteiligte zu 2. habe die Erblasserin stets bedrängt, in ihrem Sinne zu testieren. Das Testament vom 29.12.2005 habe die Erblasserin in Kopie beiden Beteiligten gegeben; das vom 3.3.2008 habe sie gegenüber dem Beschwerdeführer nicht erwähnt. Vorsorglich werde das jüngere Testament angefochten, weil der Erblasserin offensichtlich nicht mehr bewusst gewesen sei, dass sie bereits im Jahr 2005 ausdrücklich über ihre Immobilien verfügt habe. Hilfsweise halte der Beschwerdeführer an seinem Erbscheinsantrag fest, lediglich erweitert um einen Testamentsvollstreckungsvermerk. Hilfsweise beantrage er, die Beteiligte zu 2. als Alleinerbin auszuweisen, wenn die Verfügung über die Grundstücke als Vermächtnis zu seinen Gunsten zu werten sein sollten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 28. August, 15. September und 4.11.2020 (Bl. 146, 149–151, 173–176 d.A) Bezug genommen.
Die Beteiligte zu 2. ist der Ansicht, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich sei; es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass das Datum nachträglich oder durch Dritte angebracht worden sei. Auch daraus, dass nicht mehr die beiden älteren Enkel der Erblasserin, sondern nunmehr deren beiden jüngeren Enkelkinder mit einem Vermächtnis bedacht seien, zeige, dass das Testament jünger sei als dasjenige aus dem Jahr 2005. Eine Anfechtung wegen Irrtums scheide aus; die Erblasserin habe mit der Teilungsanordnung erreichen wollen, dass die Beteiligte zu 2. – die Eigentümerin eines angrenzenden Grundstücks sei – das Nachlassgrundstück so teilen könne, dass beide Immobilien eine Einheit bildeten. Das bessere Verhältnis der Erblasserin zur Beteiligten zu 2. beruhe auch darauf, dass der Beschwerdeführer nach dem Tod seines Vaters Pflichtteilsansprüche geltend gemacht habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 5.10.2020 Bezug genommen.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss der Rechtspflegerin vom 11.11.2020 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der eingezogene Erbschein sei auch deshalb unrichtig, weil er keinen Testamentsvollstreckungsvermerk enthalte, der aber nach dem Testament vom 8.3.2008 erforderlich sei, da danach die Beteiligte ...