Eine weitere zentrale Weichenstellung des Entwurfs ist es, die auf den Erben übergegangenen Unterhaltsverpflichtungen als Nachlassverbindlichkeiten einzuordnen. Der Erbe haftet also persönlich, aber eben für eine übergegangene Erblasserschuld, er tritt nicht selbst in das familienrechtliche Unterhaltsverhältnis ein. Für den Unterhaltsanspruch gelten dann die allgemeinen Regelungen der Erbenhaftung, inkl. der Möglichkeit der Beschränkung der Haftung auf den Nachlass und der Nachlassinsolvenz (vgl. §§ 1975 ff. BGB). Die Unterhaltsgläubiger sind (anders als die Pflichtteilsberechtigten de lege lata) grundsätzlich (zum Regelungsvorschlag im Einzelnen noch sogleich) gleichrangige Nachlassgläubiger. Der Entwurf erwartet denn auch selbst, dass absehbare Folge des Unterhaltsmodells eine Erhöhung der Zahl der Nachlassinsolvenzen sein wird. Das Unterhaltsmodell unterscheidet sich insofern wesentlich vom gegenwärtigen Pflichtteilsmodell. Der Pflichtteil richtet sich ohnehin nach dem Wert des Nettonachlasses (vgl. ausdrücklich § 2311 BGB), also nach Abzug der Verbindlichkeiten, und stellt lediglich einen Bruchteil dieses Nettowerts dar. Das kann per se keine Überschuldung des Nachlasses bewirken. Das neue Unterhaltsmodell löst sich hingegen komplett vom Wert des Nachlasses. Es unterstellt für die Höhe der Abfindung, dass der Verpflichtete weitergelebt hätte, insbesondere also weiter Einkommen erzielt hätte. Der Entwurf erläutert, dass damit eine Asymmetrie entsteht, weil für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs Aktiva unterstellt werden, die es tatsächlich gar nicht gibt. Konsequenterweise verzichtet der Entwurf auf das Kriterium der Leistungsfähigkeit, das gem. § 1603 BGB für den Unterhalt unter Lebenden gilt (§ 1615a Abs. 2 S. 3 BGB-E erklärt diesen für unanwendbar) und der Unterhaltsanspruch ist konsequenterweise auch nicht auf den Intestaterbteil beschränkt.
Dem Entwurf ist recht zu geben, dass Unterhaltansprüche gegenüber Nachlässen die Ausnahme sein werden und damit die Nachlassabwicklung in vielen Fällen um die streitigen Pflichtteilsdiskussionen erleichtert wird. Gleichwohl sollte grundsätzlich diskutiert werden, ob der Ansatz richtig ist, dass bei der Bemessung der Abfindung unterstellt wird, der Erblasser habe weitergelebt. Der Entwurf erklärt hierzu, dass die Asymmetrie durch das Auseinanderfallen von tatsächlichen und fiktiven (für die Berechnung der Abfindung unterstellten) Aktiva und damit die Zunahme der Nachlassinsolvenzen eine Konsequenz aus der grundsätzlichen Wertungsentscheidung sei, den Unterhaltsanspruch passiv vererblich zu stellen. Das scheint nicht zwingend. So wäre der Entwurf keineswegs verpflichtet, § 1603 BGB (das Kriterium der Leistungsfähigkeit für den Unterhalt unter Lebenden) für unanwendbar zu erklären.
Dass der Entwurf dann vielleicht doch nicht ganz sicher hinsichtlich der Einordnung der Unterhaltsansprüche ist, zeigt deren Behandlung im Rahmen der Nachlassinsolvenz. Während die Pflichtteilsansprüche in der Nachlassinsolvenz (de lege lata) gem. § 327 Abs. 1 Nr. 1 InsO (deutlich) nachrangig sind, werden nach dem Entwurf Unterhaltsgläubiger in den Rang normaler Insolvenzgläubiger gehoben. Unterhaltsgläubiger sind gewöhnliche Insolvenzgläubiger des § 38 InsO. Der Entwurf ist sich bewusst, dass diese Aufwertung des Angehörigenschutzes rechtspolitisch keine Selbstverständlichkeit ist und verweist selbst darauf, dass andere Rechtsordnungen, die eine bedarfsorientierte Teilhabe regeln, oftmals einen Vorrang der gewöhnlichen Nachlassgläubiger vorsehen. Der Entwurf sieht allerdings nur die Möglichkeit, die Unterhaltsansprüche entweder mit den übrigen Erblassergläubigern gleichzustellen oder aber sie generell zu subordinieren. Damit würde aber, so der Entwurf, das Ziel des Unterhaltsmodells weitgehend vereitelt.
Der Entwurf setzt dies allerdings nicht mit letzter Konsequenz um. So will er (vgl. § 327 InsO-E) für den Fall, dass es Unterhaltsgläubiger unterschiedlicher Rangstufen des § 1609 BGB gibt, die familienrechtlich nachrangigen Unterhaltsgläubiger subordinieren, und zwar nicht nur gegenüber den familienrechtlich vorrangigen Unterhaltsgläubigern, sondern auch gegenüber sämtlichen Nachlassgläubigern. Der Entwurf diskutiert dies in großer Klarheit am Beispiel eines Nachlasses mit einem unterhaltsbedürftigen minderjährigen Kind und einem unterhaltsbedürftigen volljährigen Kind. Das minderjährige Kind geht dem volljährigen Kind unterhaltsrechtlich vor (vgl. § 1609 Nr. 1 BGB gegenüber § 1609 Nr. 6 BGB). Außerdem soll es noch einen gewöhnlichen Nachlassgläubiger geben. Wenn es das minderjährige Kind gibt, mit einem ggf. auch nur ganz kleinen Unterhaltsanspruch, ist nach dem Vorschlag der Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes nachrangig gegenüber dem Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes und den gewöhnlichen Nachlassgläubigern. Gibt es hingegen keinen Anspruch eines minderjährigen Kindes, soll das volljährige Kind im Gleichrang mit den gewöhnl...