Leitsatz
1. Die formgerechte Anfechtungserklärung bezüglich einer vorausgegangenen Erbausschlagung erfordert bei Abgabe der Erklärung in öffentlich beglaubigter Form den Eingang der Originalurkunde beim Nachlassgericht.
2. Die Übermittlung der als Papierurkunde erstellten notariell beglaubigten Anfechtungserklärung in Gestalt einer pdf-Datei über das besondere elektronische Anwaltspostfach an das Nachlassgericht reicht zur Wahrung der erforderlichen Form für eine wirksame Anfechtung der Erbausschlagung nicht aus.
3. Einem Nachlassgläubiger steht gem. § 792 ZPO eine Antragsbefugnis zur Erteilung eines Erbscheins nur dann zu, wenn er einen titulierten Anspruch gegen den Nachlass hat.
OLG Bamberg, Beschl. v. 21.3.2022 – 2 W 35/21
1 Gründe
I.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Antrag eines Gläubigers auf Anordnung einer Nachlasspflegschaft, welcher vom Nachlassgericht zurückgewiesen worden ist.
Am … 2019 ist der Erblasser A ohne Hinterlassung von Abkömmlingen verstorben. Seine Eltern waren bereits vorverstorben. Die Beteiligten X und Y sind seine Geschwister. Diese hatten die Erbschaft mit Erklärungen vom 30.9.2019 und 1.10.2019 zunächst ausgeschlagen. Ebenso haben die Töchter der X die Erbschaft ausgeschlagen sowie die Abkömmlinge eines weiteren, vorverstorbenen Bruders des Erblassers.
Mit Beschluss des Nachlassgerichts vom 25.10.2019 wurde für die unbekannten Erben Nachlasspflegschaft zur Abwicklung des Mietverhältnisses des Erblassers und zur eventuellen Sicherung des Nachlasses angeordnet. Zum Nachlasspfleger war … bestellt worden.
Mit Verfügung vom 10.8.2020 wurde den Beteiligten X und Y unter Übersendung einer Kopie des Nachlassverzeichnisses mitgeteilt, dass ein die Beerdigungskosten übersteigender Nachlass vorhanden sein dürfte, die Erben daher von Amts wegen zu ermitteln seien und die Beteiligten um Mithilfe bei deren Ermittlung gebeten werden. Das Nachlassverzeichnis enthielt die Eintragung, dass der Erblasser am Todestag über Bankguthaben i.H.v. 17.982,00 EUR verfügt habe.
Daraufhin ging am 29.9.2020 beim AG über das besondere elektronische Anwaltspostfach die Vertretungsanzeige von Rechtsanwältin … für die Beteiligten X und Y ein mit der Mitteilung, die Beteiligten hätten am heutigen Tage ihre Erbausschlagungserklärungen angefochten, ihre notariell beglaubigte Anfechtungserklärung würde anliegend übermittelt und im Original auf dem Postweg nachgereicht. Der Eingang des Originals der Erklärung erfolgte am 1.10.2020. Auf den Inhalt der notariell beglaubigten Anfechtungserklärung der beiden Beteiligten wird Bezug genommen (Bl. 74 ff. / 78 ff d. A.).
Am 24.3.2021 hob das Nachlassgericht die mit Beschl. v. 25.10.2019 angeordnete Nachlasspflegschaft auf, da der Wirkungskreis erledigt und die Erben ermittelt seien. Mit Verfügung vom gleichen Tag stellte es fest, dass X und Y als Miterben zu je ½ in Betracht kämen. Die Verfügung wurde u.a. der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten und den bekannten Nachlassgläubigern, insbesondere dem Bezirk …, mitgeteilt.
Mit Schreiben vom 3.9.2021 und 6.9.2021 beantragte der Bezirk … die Bestellung eines Nachlasspflegers. Der Bezirk habe dem Erblasser bis zum 30.6.2018 Blindenhilfe gewährt. Es errechne sich ein ersatzfähiger Sozialhilfeaufwand i.H.v. 6.806,61 EUR, welcher nach § 102 Abs. 2 S. 1 SGB XII gegen die Erben geltend zu machen sei. Die ermittelten Erben X und Y verfolgten die Anfechtung der Erbschaftsausschlagung offenbar nicht mehr weiter. Die Verfahrensbevollmächtigte von X und Y habe dem Bezirk mit Schreiben vom 23.4.2021 erklärt, dass deren Erbenstellung nicht gesichert sei. Ob die Anfechtung der Erbschaftsausschlagung überhaupt wirksam sei, sei nur in einem aufwändigen Erbscheinsverfahren zu klären. Mit Schreiben vom 30.11.2021 und 1.12.2021 führte der Bezirk seinen Antrag weiter aus und erklärte insbesondere, dass der Kostenersatzanspruch drei Jahre nach dem Tod des Erblassers erlösche, mithin Ende August 2022.
Mit Beschl. v. 9.12.2021 wies die Rechtspflegerin den Antrag auf Bestellung eines Nachlasspflegers zurück. Neben dem Antrag eines Nachlassgläubigers erfordere eine Nachlasspflegschaft nach § 1961 BGB eine unsichere Erbrechtslage, die vorliegend nicht gegeben sei. Unbekannt seien die Erben, wenn nicht mit zumindest hoher Wahrscheinlichkeit feststehe, wer Erbe geworden sei. Hinsichtlich der Beteiligten X und Y lägen Ausschlagungserklärungen und die Anfechtung der Ausschlagungserklärungen vor. Die notariell beglaubigte Anfechtungserklärung vom 29.9.2020 sei im Original zwar erst am 1.10.2020 bei Gericht eingegangen. Die Einreichung über das besondere elektronische Anwaltspostfach am 29.9.2020 reiche nicht aus. Ausgehend vom 18.8.2020 als Zeitpunkt der Kenntniserlangung über den geltend gemachten Irrtum sei die sechswöchige Anfechtungsfrist am 30.9.2020 abgelaufen. Der Eingang der Originalerklärung am 1.10.2020 sei daher nach Aktenlage verfristet. Eine abschließende Prüfung hinsichtlich der Wirksamkeit der Anfechtungserklärungen erfolge jedoch nur im Erbscheinsverfahren....