Die zulässigen Beschwerden (bzgl. der Beteiligten zu 2 iSd § 353 Abs. 2 FamFG) haben in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Einziehung des Erbscheins liegen nicht vor. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Nachlassgerichts, dass die Erblasserin mit dem Brief vom 20.10.1975 ein Testament iSd § 2247 BGB errichtet hat und darin den Beteiligten zu 4 zu ihrem Erben eingesetzt hat. Insoweit ist der Erbschein vom 25.1.2006, der die Erbfolge nach der Erblasserin kraft Gesetzes ausweist, inhaltlich zutreffend.

1. Grundsätzlich kann in einem vom Erblasser eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Brief der letzte Wille des Erblassers enthalten sein. Eine solche schriftlich niedergelegte Erklärung des Erblassers kann allerdings, auch wenn sie den formalen Voraussetzungen des § 2247 BGB genügt, nur dann als letztwillige Verfügung gelten, wenn sie auf einem ernstlichen Testierwillen des Erblassers beruht. Daher muss außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat oder zumindest das Bewusstsein hatte, die Urkunde könne als Testament angesehen werden. Ob ein solcher ernstlicher Testierwille vorgelegen hat, ist im Wege der Auslegung (§ 133 BGB) unter Berücksichtigung aller erheblichen, auch außerhalb der Urkunde liegenden Umstände und der allgemeinen Lebenserfahrung zu beurteilen (BayObLG FamRZ 1999, 534, 535 mwN). An den Nachweis des Testierwillens sind bei einem Brieftestament strenge Anforderungen zu stellen (BayObLGZ 2000, 274, 277). Die Vorschrift des § 2084 BGB findet bei verbleibenden Zweifeln keine Anwendung (vgl. BayObLG FamRZ 1990, 672; 2001, 944, 945).

2. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist der Senat im Gegensatz zu dem Nachlassgericht nicht davon überzeugt, dass die Erblasserin mit dem Schreiben vom 20.10.1975 eine letztwillige Verfügung errichtet hat und darin den Beteiligten zu 4 zu ihrem Erben berufen hat.

a) Der Umstand, dass die Erblasserin das Schreiben nicht als Testament bzw. als "letzter Wille" bezeichnet hat, stellt kein tragfähiges Indiz gegen die Errichtung eines Testaments dar. Für die Auslegung des Schriftstücks als letztwillige Verfügung ist nämlich das Fehlen einer ausdrücklichen Bezeichnung des Schriftstücks als "Testament", "Mein letzter Wille" oder eines ähnlichen Ausdrucks unschädlich. Entscheidend ist, dass sich aus dem Schriftstück der Wille der Erblasserin ergibt, die Folgen ihres Todes ernsthaft und umfassend zu regeln (BayObLG FamRZ 2005, 656, 657).

Vor dem Hintergrund, dass die Erblasserin in ihrem Schreiben zum Ausdruck bringt, dass der Beteiligte zu 4 nach ihrem Tod "ihr Vermögen" erhalten soll (Satz 1), und diesem für den Fall, dass ihr "unerwartet etwas zustoßen soll", das Schreiben als "Vollmacht" dienen soll (Satz 2), hat das Nachlassgericht zu Recht die Errichtung einer letztwilligen Verfügung der Erblasserin in Erwägung gezogen. Denn darin liegt eine Anordnung der Erblasserin, die zeitlich unmittelbar auf ihren Tod bezogen ist. Hierin unterscheidet sich die hier inmitten stehende Formulierung der Vollmacht zu der, die der Entscheidung des BayObLG FamRZ FamRZ 2000, 1539, 1540 zugrunde lag ("Bankvollmacht"). Dort fand sich kein Hinweis auf den Tod des Erblassers oder darauf, dass die Rechtsmacht gerade auch für diesen Fall erteilt werden sollte.

2. Der Senat ist aber nicht davon überzeugt, dass die Erblasserin in dem Brief selbst ihre Rechtsnachfolge nach dem Tod geregelt hat und darin den Beteiligten zu 4 als ihren Erben eingesetzt hat.

a) Zu Recht hat das Nachlassgericht den Inhalt des Schreibens als auslegungsbedürftig angesehen. Die Erblasserin hat darin zwar eine Zuwendung zugunsten des Beteiligten zu 4 thematisiert. Eine ausdrückliche Erbeinsetzung findet sich in dem Schreiben jedoch nicht.

b) Der Senat teilt nicht die Auffassung des Nachlassgerichts, dass das Schreiben der Erblasserin vom 20.10.1975 eine Erbeinsetzung des Beteiligten zu 4 darstellt. Soweit das Nachlassgericht aus der Formulierung "mein Vermögen" und der Erteilung einer Vollmacht zugunsten des Beteiligten zu 4 eine Erbeinsetzung ableitet, ist eine solche Auslegung nicht zwingend. Insoweit hat das Nachlassgericht weitere Umstände innerhalb und außerhalb der Urkunde nicht berücksichtigt, die einen Testierwillen der Erblasserin in dem Schreiben zweifelhaft erscheinen lassen.

aa) Aus der Formulierung in Satz 1 ihres Schreibens ("ich habe mich entschlossen, nach meinem Tode….") ist neben der Angabe des Motivs auch – worauf die Beschwerdeführer hinweisen – eine Auslegung möglich, dass die Erblasserin bereits die Entscheidung über ihren Nachlass außerhalb der Urkunde getroffen hat. Eine solche Auslegung findet eine Stütze darin, dass im Zeitpunkt der Übersendung des Schreibens vom 20.10.1975 bereits ein Testament der Erblasserin vorlag. Dieses wurde am 13.3.1975 beim Amtsgericht A. – Nachlassgericht – unter der Verwahrungsbuch-Nr. 25088 in die besondere amtliche Verwahrung gegeben und am 21.8.1981 zurückgegeben (be...

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