§ 255 BewG verweist zur Ermittlung der Bewirtschaftungskosten auf pauschalierte Erfahrungssätze nach Anlage 40 zu § 255 BewG. Anlage 40 differenziert bei den Bewirtschaftungskosten einerseits nach der Restnutzungsdauer und andererseits nach der Grundstücksart.
a) Grundstücksart
Die Grundstücksart musste bereits am Anfang der Berechnung bestimmt werden (s.o.). Das Ergebnis der Bestimmung war und ist, dass hier die Grundstücksart "Einfamilienhaus" vorliegt (§ 249 Abs. 2 i.V.m. § 249 Abs. 1 Nr. 1 BewG).
b) Restnutzungsdauer
Die Restnutzungsdauer ist grundsätzlich der Unterschiedsbetrag zwischen der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer, die sich aus Anlage 38 ergibt, und dem Alter des Gebäudes im Hauptfeststellungszeitpunkt (§ 253 Abs. 2 BewG).
c) Wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer
Bei Einfamilienhäusern beträgt die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer nach Anlage 38 zu § 253 BewG 80 Jahre, bei Einzelgaragen beträgt sie 60 Jahre. Aber Achtung: Bei Wohngrundstücken, zu denen auch Einfamilienhäuser zählen, gilt für alle Gebäude und Gebäudeteile – unabhängig von ihrer Nutzung – eine Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren. Dies gilt auch für Garagen (A 253.2 Abs. 2 S. 2).
d) Kritik zur Anhebung der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer bei Garagen, die zu Wohngrundstücken gehören
Weshalb sich die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer einer Betonfertiggarage, die auf einem Wohngrundstück steht, gegenüber einer Betonfertiggarage, die nicht auf einem Wohngrundstück steht, pauschal und überhaupt um 20 Jahre erhöht, entzieht sich zumindest meiner Kenntnis und ist von mir denklogisch auch nicht nachzuvollziehen.
e) Kritik zur unterschiedlichen Länge der wirtschaftlichen Gesamtnutzugsdauer
An dieser Stelle sei die Frage erlaubt, warum für ein und dasselbe Objekt, nämlich für ein Einfamilienhaus, die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer im Rahmen der Feststellung des sog. Grundstückswerts für schenkungsteuerliche oder erbschaftssteuerliche Zwecke nach Anlage 22 zu § 185 BewG nur 70 Jahre beträgt, während dieselbe wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer für Zwecke der Ermittlung des Grundsteuerwerts nach Anlage 38 zu § 253 BewG mit 80 Jahren unterstellt wird, also von einer zehn Jahre längeren wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer ausgegangen wird.
Diese Diskrepanz verwundert umso mehr als die Anlage 22 zu § 185 BewG vier Jahre früher, nämlich im BGBl I 2015, 1846 veröffentlicht wurde, während die Anlage 38 zu § 253 BewG erst entsprechend später, nämlich im BGBl I 2019, 1834 veröffentlicht worden ist. Hier zeigt sich ein Widerspruch, da sich im Allgemeinen die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer aufgrund ständig gewachsener Ansprüche an Wohnfläche, Wärmedämmung, Schallschutz gegenüber früheren Einschätzungen deutlich verringert haben müsste.
f) Unterschiedliches Alter des Hauses und der Garage
Es bestehen keine Bedenken, das Alter des Gebäudes durch Abzug des Jahres der Bezugsfertigkeit des Gebäudes (Baujahr) vom Jahr des Hauptfeststellungszeitpunkts zu bestimmen (A 253 Abs, 1 S. 2).
Bei dem hier zu bewertenden bebauten Grundstück ist aktenkundig, dass das Gebäude schon 1932 bezugsfertig war, wogegen die Betonfertiggarage erst im Jahr 2002 aufgestellt wurde.
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Haus |
Garage |
Jahr d. Hauptfeststellungszeitpunkts 2022 |
2022 |
2022 |
./.Jahr d. Bezugsfertigkeit |
1932 |
2002 |
= |
90 |
20 |
Das Haus war somit am Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.2022 schon 90 Jahre alt, während die Garage am 1.1.2022 erst 20’Jahre alt war.
g) Restnutzungsdauer Haus
Das Haus hätte damit eigentlich eine Restnutzungsdauer von 80 abzüglich 90 Jahren, d.h. eine Restnutzungsdauer von null Jahren.
h) Mindestrestnutzungsdauer
§ 253 Abs. 2 BewG bestimmt aber, dass die Restnutzungsdauer eines noch nutzbaren Gebäudes mindestens 30 % der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer beträgt, deshalb ist für das Haus eine Restnutzungsdauer von 24 Jahren anzusetzen.
Wäre hier meiner unter Buchstabe d) geäußerten Kritik folgend die Gesamtnutzungsdauer aus Anlage 22 zu § 185 BewG von nur 70 Jahren anzuwenden, käme eine unterstellte Restnutzungsdauer von nur 21 Jahren statt von 24 Jahren zum Zuge.
i) Besondere Kritik an der langen Gesamtnutzungsdauer bei Fällen, in denen die Mindestrestnutzungsdauer zur Anwendung kommt
Gerade bei Fällen wie diesem, in dem nämlich mindestens 30 % der Gesamtnutzungsdauer als fiktive Restnutzungsdauer ansetzen sind, also bei alten Gebäuden, halte ich eine unterstellte Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren für zu hoch angesetzt. Dies gilt insbesondere deshalb, weil alte Einfamilienhäuser ganz überwiegend noch mit Gas oder Öl beheizt werden und sich diese Heizungsarten durch ein Umdenken in der Politik und Gesellschaft als ein Manko darstellen; die Ansprüche haben sich hier wegen der angestrebten CO 2 Neutralität geändert.
Eine energetische Sanierung und ein Umrüsten auf andere Energiequellen, wie Wärmepumpen, wird teilweise z.B. bei Reiheneinfamilienhäusern baulich überhaupt nicht möglich, zumindest aber vielfach einfach unwirtschaftlich und nicht bezahlbar sein.
j) Restnutzungsdauer Garage
Für die Garage beträgt die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer, da die Garage hier zu einem Wohngrundstück gehört, nicht nur 60 Jahre, sondern 80 Jahre abzüglich 20 Jahre, also noch 60 Jahre.
60 Jahre sind länger als die Mindestrestnutzungsdauer von 30 % von 80 Jahren, nämlich länger als 24 Jahre, somit ist bei der Garage von der Restnutzungsdauer von 60 Jahren auszugehen.
Danach sind die Restnutzungsdauer für das Haus und die Restnutzungsdauer...