Leitsatz
1. Das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft ist ein allein dem Erben bzw. seinen Rechtsnachfolgern, den Erbeserben, persönlich zustehendes Recht. Ein Sozialhilfeträger kann das Ausschlagungsrecht nicht auf sich überleiten und ausüben. Andernfalls erhielte der Sozialhilfeträger die Möglichkeit, auf die Erbfolge Einfluss zu nehmen, was generell nicht dem Erblasserwillen entspricht und nach dem Gesetz den Bedachten selbst vorbehalten ist.
2. Gegenstand einer Feststellungsklage kann auch ein Rechtsverhältnis zwischen einer Partei und einem Dritten sein bzw. ein Rechtsverhältnis, an dem der Kläger nicht beteiligt ist. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Klage ist aber, dass dieses Rechtsverhältnis zugleich für die Rechtsbeziehungen der Prozessparteien untereinander von Bedeutung ist und der Kläger ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Klärung dieser Frage hat. Ausreichend ist eine wenigstens mittelbare Betroffenheit des Klägers.
3. Die Klage eines Testamentsvollstreckers und die Klage eines Sozialhilfeträgers auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines von einem Erbprätendenten in Anspruch genommenen Erbrechts sind nicht vergleichbar. Der Testamentsvollstrecker hat in diesem Fall ein Feststellungsinteresse, welches aus seinem eigenständigen Recht, den letzten Willen des Erblassers zu’verwirklichen und zu verteidigen, folgt. Ein Sozialhilfeträger hat – wie in der diesem Fall zugrundeliegenden Konstellation – aber’keine rechtliche Beziehung zum Nachlass.
BGH, Beschl. v. 2.11.2022 – IV ZR 39/22
1 Gründe
I. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Beklagte zu 1 die am 6.2.2018 verstorbene Erblasserin beerbt hat und die Beklagten zu 2 und 3 nicht deren Erben geworden sind.
Die Beklagte zu 1 ist das einzige Kind der verwitwet verstorbenen Erblasserin. Die Beklagten zu 2 und 3 sind die Kinder der Beklagten zu 1. Der Kläger ist Träger für Leistungen nach dem SGB II, der an die Beklagte zu 1 seit dem Jahr 2005 Sozialleistungen i.H.v. insgesamt 149.522,09 EUR – davon 12.804,25 EUR im Zeitraum von Februar 2018 bis Februar 2020 – erbrachte.
Nach dem Tod der Erblasserin schlug die Beklagte zu 1 mit Erklärung vom 9.3.2018 gegenüber dem Nachlassgericht die Erbschaft aus. Das Nachlassgericht erließ einen Erbschein, wonach die Erblasserin von den Beklagten zu 2 und 3 je zu ½ beerbt worden ist. Der Wert des Nettonachlasses betrug circa 500.000 EUR.
Mit Bescheid vom 3.11.2021 nahm der Kläger die Beklagte zu 1 auf Erstattung von im Zeitraum vom 1.3.2018 bis zum 30.9.2021 bezogener Leistungen i.H.v. 23.236,90 EUR in Anspruch. Gegen diesen Bescheid legte die Beklagte zu 1 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.
Soweit für die Revision noch von Interesse, hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zu 1 Alleinerbin nach der Erblasserin und die Beklagten zu 2 und 3 nicht Erben geworden sind. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom OLG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
II. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass die Klage unzulässig ist. Dem Kläger fehle ein rechtsschutzwürdiges Feststellungsinteresse. Er nehme für sich nicht in Anspruch, durch Erbfolge am Nachlass beteiligt zu sein. Ein Feststellungsinteresse ergebe sich auch nicht etwa vor dem Hintergrund, dass das Recht der Beklagten zu 1 zur Ausschlagung der Erbschaft kraft Gesetzes auf ihn übergegangen wäre. Das Ausschlagungsrecht stelle keinen Anspruch i.S.v. § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II dar und stehe allein dem Erben zu. Ein Feststellungsinteresse ergebe sich nicht unter dem Aspekt eines feststellungsfähigen Drittrechtsverhältnisses. Der Kläger habe kein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung des Erbrechts. Dieses betreffe den Kläger als Dritten nicht rechtlich, da er nicht zum Kreis der potenziellen Erben gehöre. Zwischen den als Erben in Betracht kommenden Parteien bestehe dagegen kein Streit über das Erbrecht. Das Interesse des Klägers, der Beklagten zu 1 aufgrund mangelnder Hilfebedürftigkeit zukünftig Hilfeleistungen zu versagen und bereits erbrachte Leistungen ggf. zurückzufordern, sei ein lediglich mittelbares wirtschaftliches Interesse. Die Feststellungsanträge seien auch unbegründet. Miterben seien die Beklagten zu 2 und 3 infolge wirksamer Ausschlagung, die nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei.
III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S.v. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a S. 1 ZPO).
1. Eine Zulassung der Revision ist insbesondere nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zur Rechtsfortbildung geboten. Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, dass im Streitfall sowohl das Feststellungsinteresse als auch die Sittenwidrigkeit der Ausschlagung der Erbschaft eines nicht behinderten Beziehers von Sozialleistungen noch nicht höchstrichterlich abschließend geklärt seien. Der Fall gibt jedoch keinen Anlass zu einer Grundsatzentscheidung.
a) Die Zuläss...