Leitsatz
1. Die Errichtung eines privatschriftlichen Testaments ist auch in Briefform möglich. Ob der Erblasser bei der Verfassung eines handschriftlichen Briefes Testierwillen hat und sein Brief mithin eine letztwillige Verfügung enthält, muss in Abgrenzung von einer bloß unverbindlichen Mitteilung über eine mögliche Testierabsicht nach § 133 BGB unter Heranziehung auch außerhalb der Urkunde liegender Umstände ermittelt werden.
2. Auf den Testierwillen des Briefverfassers und die Einsetzung des Adressaten als Alleinerben deutet hin, wenn dieser unter Reflexion auf sein bisheriges Leben und seinen künftigen Tod ausführt, der Adressat solle sein "Geld erben", soweit er praktisch ausschließlich über Geldvermögen verfügt. Hinweise auf den Testierwillen ergeben sich auch daraus, wenn der Erblasser diesen an den mit ihm nahe verwandten Adressaten gerichteten Brief abweichend von seiner sonstigen Praxis mit Vornamen und Nachnamen unterzeichnet.
Schleswig Holsteinisches OLG, Beschluss vom 29. Mai 2009 – 3 Wx 58/04
Sachverhalt
Die 1913 geborene Erblasserin ist eines von insgesamt 13 Geschwistern, von denen zwei bereits in frühem Alter verstorben sind. (...)
1994 verstarb die jüngste Schwester der Mutter der Erblasserin, Tante H. Die Erblasserin und der Beteiligte zu 1. trafen sich bei der Beerdigung am 10.8.1994 in P. (...) Am 16.9.1994 schrieb die Erblasserin dem Beteiligten zu 1. einen Brief mit folgendem Wortlaut (...):
Zitat
" L. 16/9/94 "
Lieber E.!
(...) Ich denke an T. H.’s Tod wenn mein Lebenslauf besiegelt ist, erbst du mein Geld, mein Glück brachte mir Wohlstand in Canada. (...)“
Diesen Brief schickte die Erblasserin dem Beteiligten zu 1. mit normaler Post. In der Folgezeit trafen sich der Erblasser und die Beteiligte zu 1. noch mehrmals, sprachen aber über diesen Brief nicht, auch nicht über Geldangelegenheiten.
Die Erblasserin verstarb am 5.8.2003 (...). Mit notariellem Erbscheinsantrag vom 16.9.2003 beantragte der Beteiligte zu 1. die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerbe nach der Erblasserin ausweisen sollte, hilfsweise die Erteilung eines gemeinschaftlichen Teilerbscheins für ihn selbst und die Beteiligte zu 2. über ihr gesetzliches Mindesterbrecht iHv jeweils 1/8. Zur Begründung für den Hauptantrag verwies der Beteiligte zu 1. auf den in Kopie der Urkunde beigefügten Brief der Erblasserin an ihn vom 16.9.1994. In der Urkunde heißt es weiter, für eine Erbeinsetzung des Erschienenen durch den fraglichen Brief spreche, dass der Inhalt dieses Briefes mit einer Reihe mündlicher Erklärungen der Erblasserin übereinstimme. Der Beteiligte zu 1. sei unter der Vielzahl der Geschwister der Erblasserin der Einzige, zu dem sie einen persönlichen Kontakt gepflegt habe. Andere Geschwister, wie z. B. der ebenfalls in H wohnende gemeinsame Bruder, der Beteiligte zu 3., hätten der Erblasserin sogar Hausverbot erteilt. Der Brief enthalte nicht etwa eine bloße Ankündigung einer späteren Erbeinsetzung, sondern die klare Aussage, dass der Beteiligte zu 1. das Geld erben solle. Die Bankguthaben der Erblasserin würden ihr gesamtes Vermögen darstellen, Grundbesitz sei nicht vorhanden. (...) Das AG – Nachlassgericht – hat den Antrag des Beteiligten zu 1. auf Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweise, mit Beschluss vom 21.1.2004 zurückgewiesen. Aus dem fraglichen Brief könne nicht erschlossen werden, dass die Erblasserin eine letztwillige Verfügung habe treffen wollen. (...)
Das LG hat mit Beschluss vom 3.8.2004 den angefochtenen Beschluss des AG – Nachlassgericht – aufgehoben und dieses angewiesen, dem Beteiligten zu 1. gemäß seinem Antrag einen Erbschein dahin zu erteilen, dass er Alleinerbe nach der Erblasserin aufgrund testamentarischer Erbfolge geworden sei. (...)
Aus den Gründen
Die weitere Beschwerde der zwischenzeitlich verstorbenen Beteiligten zu 4. ist nach den §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Entscheidung des LG kann im Wege der weiteren Beschwerde gem. § 27 Abs. 1 S. 1 FGG nur darauf überprüft werden, ob sie auf einer Verletzung des Rechts beruht. Eine schlichte Rechtsverletzung reicht nicht aus, wenn sich die Entscheidung aus anderen Gründen als richtig erweist (§§ 27 FGG, 561 ZPO) und deshalb auf dieser Rechtsverletzung nicht beruht. Bei der Prüfung einer Rechtsverletzung ist das Beschwerdegericht an die vom Tatgericht festgestellten Tatsachen gebunden (§§ 27 FGG, 559 ZPO). Eine Nachprüfung tatsächlicher Verhältnisse ist in der dritten Instanz ausgeschlossen. Die Tatsachenwürdigung ist nur dahin überprüfbar, ob der Tatrichter den maßgeblichen Sachverhalt erforscht (§ 12 FGG, Prinzip der Amtsermittlung), bei Erörterung des Beweisstoffs alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen die Denkgesetze und feststehende (zwingende) Erfahrungssätze sowie den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen hat. Die Überzeugungsbildung des LG ist dann nicht zu beanstanden, wenn die von ihm vorgenommene Würdigu...