I. Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Pflichtteilsanspruch iHv 37.485,37 EUR geltend. (...) Das LG hat die Klage abgewiesen. Gegen die Klagabweisung wendet sich der Kläger mit der Berufung.
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Zu Recht geht das LG davon aus, dass der Kläger das ihm zugewendete Erbteil nicht fristgerecht ausgeschlagen hat, § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Ausschlagungsfrist beträgt 6 Wochen und beginnt mit der Kenntnis vom Anfall der Erbschaft, dem Berufungsgrund und der Beschwerung, §§ 2306 Abs. 1 S. 2, 1943, 1944 BGB.
Mit Testamentseröffnung am 12.7.2006 hatte der Kläger Kenntnis vom Anfall der Erbschaft und vom Berufungsgrund. Er erhielt ferner Kenntnis von dem der Beklagten zugewendeten Vermächtnis und der Anordnung der Testamentsvollstreckung, weswegen er sich auch zur Annahme der Erbschaft noch nicht erklären wollte. Er wurde in diesem Zusammenhang auch über die Geltendmachung seines Pflichtteilsrechts belehrt.
Nach ganz herrschender Meinung ist für den Vergleich zwischen Erbteil und Pflichtteilshöhe und damit für die Frage, ob dem Erben das Ausschlagungsrecht nach § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB zusteht, grundsätzlich die Quotentheorie anzuwenden (Palandt/Edenhofer, BGB, 68. Aufl., § 2306 Rn 2 f sowie MüKo-Lange, 4. Aufl., § 2306 Rn 3 m. Fn 5).
Das bedeutet, nur die Quoten, also die Bruchteilsgrößen, sind maßgebend, nicht aber der Wert. Anderes gilt nur, wenn dem Pflichtteilsberechtigten nur ein Geldbetrag oder ein einzelner Gegenstand zugewandt wurde und trotz § 2087 Abs. 2 BGB eine Erbeinsetzung vorliegt. In diesem Fall muss die Quote des Hinterlassenen aus dem Wertverhältnis zwischen Zuwendung und Gesamtnachlass errechnet werden (MüKo/Lange, aaO). Ebenso wird verfahren, wenn bei der Berechnung des Pflichtteils Vorempfänge über Anrechnungs- oder Ausgleichspflichten (§§ 2315, 2316 BGB) anzurechnen sind (Palandt/Edenhofer, aaO; MüKo/Lange, aaO). Die genannten Ausnahmen sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere fällt die im Testament verfügte Ausgleichszahlung iHv zuletzt 30.000 DM nicht unter die genannten Vorschriften.
Für den Fristbeginn maßgebend ist die Kenntnis von Umständen, aufgrund derer ein Abwägen und damit ein Handeln erwartet werden kann (BGH WM 1968, 542). Diese Kenntnis hat der Kläger spätestens mit der Auskunft der Beklagten vom 20.8.2006 – zugegangen am 19.9.2006 – erhalten, in der die Größenordnungen von Vermächtnis und Restnachlass schon ausdrucksvoll deutlich wurde. Die mit Schreiben vom 10.8.2007 erklärte Ausschlagung ist folglich verfristet. (...)
2. Die hilfsweise erklärte Anfechtung der Erbschaftsannahme gem. den §§ 1945, 1954, 1955 BGB wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses nach § 119 Abs. 2 BGB greift ebenfalls nicht.
a) Die Anfechtung erfolgte wirksam durch Abgabe des Bevollmächtigten mit Schreiben vom 10.8.2007 und öffentlich beglaubigter Vollmacht beim Nachlassgericht (Palandt/Edenhofer, aaO, § 1945 Rn 3 mwN).
b) Unter verkehrswesentlichen Eigenschaften für eine Anfechtung nach den §§ 1945, 1954, 1955 BGB werden alle wertbildenden Faktoren wie Größe, Lage, Belastungen verstanden, nicht aber der Wert oder Marktpreis selbst.
Eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses iSv § 119 Abs. 2 BGB wird bejaht, wenn es um die Überschuldung des Nachlasses geht oder um eine Belastung des Nachlasses mit wesentlichen Verbindlichkeiten (z. B. Vermächtnis), deren rechtlicher Bestand ungeklärt ist (BGH NJW 1989, 2885). Weiter wird hierzu gerechnet die Höhe des Erbanteils (OLG Hamm NJW 1966, 1080), die Größe des Nachlasses (KG OLGZ 1993, 1 [Unkenntnis von in früherer DDR gelegenem Immobilienvermögen]), Irrtum über Zugehörigkeit von Rechten oder Verbindlichkeiten zum Nachlass, wenn dieser Irrtum zur Vorstellung einer tatsächlich nicht bestehenden Überschuldung führt (KG NJW-RR 2004, 941).
Der Kläger macht einen Irrtum über die tatsächlichen Wertverhältnisse des Nachlasses geltend. Es geht nicht um den ungeklärten rechtlichen Bestand von Nachlassverbindlichkeiten oder Nachlassforderungen oder Belastungen oder deren Zugehörigkeit zum Nachlass und dem sich hieraus ergebenden Irrtum über den Erbteilswert. Der Kläger wusste vielmehr seit der Auskunft der Beklagten, dass das vermächtnisweise zugewendete Grundstück weitgehend das Erbe ausmachte (vgl. auch BayObLG NJW-RR 1994, 904). Die Anfechtung der Erbschaftsannahme scheidet folglich aus.
3. Die hilfsweise erklärte Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist gem. den §§ 1956, 1955, 1945 BGB ist ebenfalls erfolglos.
a) Die Abgabe im Schriftsatz vom 10.8.2007 ggü. dem Nachlassgericht (Anl. K 5) ist formwirksam (vgl. 2. a).
b) Bezüglich der Anfechtungsmöglichkeit nach § 119 Abs. 2 BGB gilt das unter 2. b Ausgeführte entsprechend. (...) Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, § 543 Abs. 2 ZPO.