Leitsatz
Ist der Erbschein durch ein örtlich unzuständiges Nachlassgericht erteilt worden, ist dieser nach § 2361 BGB einzuziehen. Aufgrund dessen steht § 65 Abs. 4 FamFG der Prüfung der örtlichen Zuständigkeit des Nachlassgerichts durch das Beschwerdegericht nicht entgegen.
OLG Hamm, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 15 W 111/17
Sachverhalt
Der Beteiligte zu 1) ist der ehemalige Betreuer der Erblasserin, den die Erblasserin in ihrem notariellen Testament vom 5.12.2013 (UR-Nr.285/2013 des Notars X in I) auch zu ihrem Testamentsvollstrecker bestimmt hat. Der Beteiligte zu 2) ist der in dem vorbezeichneten Testament eingesetzte Alleinerbe. Die Beteiligten zu 3) und 4) sind die Kinder des vorverstorbenen Bruders der Erblasserin, Y.
Das Betreuungsverfahren für die Erblasserin wurde auf die Anregung des Ambulanten Pflegedienstes vom 21.6.2013 eingeleitet. Die Erblasserin war auf Veranlassung ihres Hausarztes nach dem Tod ihres Ehemannes am 20.6.2013 zunächst in ein in I gelegenes Pflegeheim aufgenommen worden.
Mit Beschluss vom 3.7.2013 richtete das Amtsgericht Höxter eine umfassende Betreuung für die Erblasserin ein, die auch den Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung umfasste, und bestellte den Beteiligten zu 1) zum Betreuer (9 XVII R 3180).
Die Erblasserin kehrte im September 2013 aus der Kurzzeitpflege in ihre bisherige Wohnung zurück und wurde dort von einem Pflegedienst betreut.
Spätestens seit Juni 2014 befand sich die Erblasserin in der Seniorenresidenz V in T, wie der Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 31.7.2014 mitteilte, und wurde dort von Dr. med. D aus K als neuem Hausarzt betreut.
Der Beteiligte zu 1) hatte bereits den Verkauf der bisherigen Wohnung der Erblasserin eingeleitet, der sich nicht einfach gestaltete, da Eigentümer zum Teil eine Erbengemeinschaft nach dem Ehemann der Erblasserin war. Der Beteiligte zu 1) war auch mit der Abgabe des Betreuungsverfahrens an das Amtsgericht Holzminden einverstanden, wollte diese jedoch bis zur Abwicklung des Hausverkaufs zurückgestellt haben. Aufgrund des Todes der Erblasserin kam es nicht mehr zu einer Abgabe.
Dem von dem Beteiligten zu 1) in seiner Funktion als Testamentsvollstrecker gestellten Erbscheinsantrag zugunsten des Beteiligten zu 2) ist der Beteiligte zu 3) entgegengetreten. Nach seiner Auffassung war die Erblasserin zur Zeit der Errichtung des Testaments bereits testierunfähig. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hat sich das Amtsgericht Höxter die Überzeugung gebildet, dass die Erblasserin bei der Abfassung des Testaments am 5.12.2013 testierfähig war und hat einen Feststellungsbeschluss zugunsten des Beteiligten zu 2) erlassen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 3), der die vorgenommene Begutachtung nicht für überzeugend hält. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie mit Beschl. v. 3.3.2017 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Der Senat hat mit Verfügung vom 16.3.2017 darauf hingewiesen, dass eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Höxter nicht gegeben sein dürfte und eine Verweisung an das nach Ansicht des Senats örtlich zuständige Amtsgericht Holzminden in Betracht komme. Der Beteiligte zu 3) hat die Verweisung an das Amtsgericht Holzminden befürwortet, die weiteren Beteiligten haben sich in der vom Senat gesetzten Stellungnahmefrist nicht geäußert.
Aus den Gründen
Die Beschwerde des Beteiligten zu 3), der für sich eine Stellung als gesetzlicher Miterbe in Anspruch nimmt, ist zulässig und führt unter Aufhebung des Feststellungsbeschlusses des Nachlassgerichts Höxter zur Verweisung des Erbscheinsverfahrens an das örtlich zuständige Amtsgericht Holzminden.
Nach dem im vorliegenden Verfahren aufgrund des vor dem 16.8.2015 eingetretenen Erbfalls noch maßgeblichen § 343 Abs. 1 FamFG aF ist das Amtsgericht für die Erteilung eines Erbscheins örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen Wohnsitz hatte.
Wohnsitz einer Person ist der Ort, an dem sich diese ständig niederlässt (§ 7 Abs. 1 BGB). Im vorliegenden Fall befand sich die Erblasserin spätestens seit Juni 2014 in einer in T (Amtsgerichtsbezirk Holzminden) gelegenen Seniorenresidenz. Dieser Aufenthalt war ersichtlich auch auf Dauer angelegt, da die bisherige Wohnung bereits zum Verkauf stand. Darauf, dass die Erblasserin noch in I gemeldet war, kommt es angesichts des bei ihrem Ableben fast ein Jahr andauernden Aufenthalt in T nicht an.
Für das vorliegende Verfahren bedarf es keiner Aufklärung, ob die Erblasserin im Zeitpunkt des Wechsels aus ihrer in I gelegenen Wohnung in die in T gelegene Seniorenresidenz noch geschäftsfähig war. Zwar setzt die Begründung eines Wohnsitzes einen entsprechenden rechtsgeschäftlichen Willen voraus (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl., § 343 Rn 40), der bei einem Geschäftsunfähigen nicht gegeben ist.
War die Erblasserin nicht mehr geschäftsfähig, so konnte der für den Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung bestellte Betreuer – Beteiligter zu 1) – ihren Wohnsitz dort rechtswirksam begründen (vgl. Keidel/Zimmermann,...