Für den Beginn der Ausschlagungsfrist ist im Falle einer angeordneten Testamentsvollstreckung stets § 1944 II 2 BGB maßgeblich, da die Anordnung der Testamentsvollstreckung einer Verfügung von Todes wegen bedarf, § 2197 I BGB. Außer in den Fällen des § 1944 III BGB beginnt die 6-Wochen-Frist daher zwingend und frühestens mit der Bekanntgabe durch das Nachlassgericht im Sinne von § 348 FamFG.
§ 348 I FamFG verlangt zunächst die Eröffnung mit Niederschrift und Stempelaufdruck auf dem Original der letztwilligen Verfügung im Wege der in aller Regel praktizierten "stillen" Eröffnung ohne die Anwesenheit der Beteiligten (§ 348 II FamFG). Auf die "stille" Eröffnung folgt nun die Bekanntgabe an die Beteiligten (insbes. die Erben) nach § 348 III 1 FamFG. Die Bekanntgabe ist ein rechtlich eigener Vorgang, der von der Eröffnung abzugrenzen ist, wie sich auch aus der Existenz des § 344 VI FamFG ergibt: Bei ihm fallen Eröffnungs- und Bekanntgabezuständigkeit auseinander.
Das Nachlassgericht braucht nach dem Gesetz also Eröffnung und Bekanntgabe durchaus nicht in einem Arbeitsgang vollziehen, sondern kann (oder muss) nach der Eröffnung mit der Bekanntgabe ggf. zuwarten. Denn Sinn und Zweck des § 348 FamFG (wie der seiner Vorgängernorm) ist es, "dass die Beteiligten über die dem Gericht bekannten letztwilligen Verfügungen informiert werden und so ihre Rechte bzgl. des Nachlasses wahrnehmen können". Verwirklicht werden soll daher (mE auch) das öffentliche Interesse an einer geordneten Nachlassabwicklung.
Die Bekanntgabe unterliegt keiner Frist und muss daher nach Zimmermann "so bald (erfolgen), wie es dem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht". Nach anderen Stimmen hat das Nachlassgericht die Bekanntgabe "unverzüglich" vorzunehmen. Wir müssen uns also fragen, wie dies hier konkret und mit Blick auf Sinn und Zweck des Gesetzes zu verstehen ist.
Die Testamentsvollstreckung trennt Rechtsinhaberschaft und -ausübung im oben beschriebenen Sinne derart, dass der Erbe – ohne Verfügungsbefugnis und Nachlassherrschaft, vgl. die §§ 2205 S. 1, 2, 2211 I BGB – zwingend darauf angewiesen ist, vom Testamentsvollstrecker die Informationen zu bekommen, die er für seine Ausschlagungsentscheidung braucht – und ebenso ist der Testamentsvollstrecker darauf angewiesen, dass er überhaupt die Möglichkeit bekommt, seinen diesbezüglichen Pflichten nach §§ 2218 I, 666 Fall 1 BGB nachzukommen.
Der anerkannte Sinn und Zweck des § 348 FamFG gebietet es daher, dass das Nachlassgericht nach der Eröffnung der vorliegenden letztwilligen Verfügungen in Absprache mit dem Testamentsvollstrecker so lange mit der Bekanntgabe an die Erben zuwartet, bis dieser dem Erben tragfähige Informationen zur Ausschlagungsentscheidung zu liefern in der Lage war. Der im Begriff des "unverzüglich" enthaltene Verschuldensmaßstab führt dazu, dass es vom Nachlassgericht geradezu schuldhaft wäre, würde es die Testamentsvollstreckung bei der Bekanntgabe der letztwilligen Verfügung ignorieren und ohne Rücksicht auf die Trennung von Rechtsinhaberschaft und -ausübung die Ausschlagungsfrist in Gang setzen. Und von einem "ordnungsgemäßen Geschäftsgang" wird man nur sprechen können, wenn er es den Beteiligten ermöglicht, ihre Rechte wahrzunehmen und das öffentliche Interesse an einer geordneten Nachlassabwicklung zu verwirklichen. Ein erster Beitrag zur Amtshaftung in der Erbrechtspflege zeigt, dass Pflicht und Risiko des Gerichts, eine geordnete Nachlassabwicklung zu ermöglichen, nicht nur theoretischer Natur sind: Es geht hier nicht um Entscheidungen unter dem Schutz des Richterprivilegs, sondern um Verfahrensabläufe nach Recht und Gesetz.
Die unter Abschnitt I. beschriebenen, aufgeteilten funktionellen Zuständigkeiten bei Gericht können die materiell-rechtliche Vorgabe des § 348 FamFG nicht abschwächen oder relativieren. Vielmehr verlangt § 348 FamFG eine sachgerechte Verwaltungspraxis im Interesse des Nachlasses.