aa) Kein sachlicher Bezug zu § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG
Die tatbestandliche Erfassung von Ausschüttungen aus einer Stiftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erscheint nicht zulässig. Ein Vertrag ist wie im Zivilrecht auch bei § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nicht entbehrlich, weshalb z. B. auch die den Hinterbliebenen aufgrund gesetzlicher Vorschriften zustehenden Versorgungsbezüge nicht unter § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG fallen. Darüber hinaus muss das Recht des Dritten für § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG mit dem Tod des Erblassers erworben worden sein, was ausscheidet, wenn der Dritte schon vor dem Tode des Erblassers aufgrund des Vertrags ein unentziehbares Recht erworben hat. Der Erwerb der Begünstigten aus einer Stiftung ergibt sich aber, wie auch immer man das Stiftungsgeschäft qualifizieren möchte, letztlich aus der Begünstigungsregelung in der Stiftung. Dabei begründet der Tod des Stifters den Anspruch nicht, sondern kann äußerstenfalls ein Ereignis sein, an das etwa ein aufschiebend bedingter Erwerb anknüpft.
bb) Historische und systematische Bedeutung der Stiftungstatbestände im ErbStG
Seit dem Ersten Reichserbschaftsteuergesetz von 1906 enthalten alle Fassungen des ErbStG, auch die zum unterstellten Erwerbszeitpunkt gültige Fassung iSd ErbStRG 2009, spezifische Tatbestände für die Behandlung von Familienstiftungen, und zwar sowohl von inländischen als auch von ausländischen Familienstiftungen. Diese Tatbestände wurden nicht nur singulär in das Gesetz aufgenommen, sondern betreffen nahezu alle Bereiche denkbarer steuerpflichtiger Erwerbe:
Zuwendungen an Stiftungen von Todes wegen werden gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 ErbStG erfasst, solche zu Lebzeiten bei Begründung der Stiftung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 8 S. 1 ErbStG. Zuwendungen bei Auflösung einer Stiftung werden gem. § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 1 ErbStG erfasst. Zuwendungen zu Lebzeiten an eine bestehende Stiftung bzw. Vermögenszuwendungen aus einer Stiftung werden nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfasst.
Während der Existenz einer Stiftung mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland bestehen aufgrund der sog. Ersatzerbschaftsteuer Sonderregelungen für eine turnusmäßige Vermögensbesteuerung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG).
Für die Ermittlung der anwendbaren Steuerklasse gelten Sonderregelungen in § 15 Abs. 2 ErbStG, die sich z. T. (§ 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG) nur auf inländische Familienstiftungen, z. T. aber auf in- und ausländische Familienstiftungen (§ 15 Abs. 2 S. 2 ErbStG) beziehen. Es ist damit erkennbar, dass für Stiftungen, insbesondere Familienstiftungen im Hinblick auf ihre Kontinuität, auch wenn sie im Einzelfall ein Instrument zur Vermögensnachfolge nur auf die nächste Generation darstellen können, besondere Regelungen bestehen.
Bereits der Gesetzgeber des ersten Reichserbschaftsteuergesetzes 1906 verstand Familienstiftungen gegenüber Erwerben zugunsten Dritter als ein "Aliud" und nicht etwa nur als eine Unterart, später dann in § 2 Abs. 1 Nr. 4 und § 3 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1925. Zu keinem Zeitpunkt, auch nicht zuletzt durch ErbStG 1974 bzw. ErbStG 1996 oder ErbStG 2009, hat der Gesetzgeber jemals die Konturen zwischen den beiden grundsätzlich verschiedenen Erwerbstatbeständen über Stiftungen oder Erwerbe zugunsten Dritter vermischt.
Außerdem enthält das ErbStG eine Steuerklassenfiktion, nach der bei Auflösung einer Stiftung der Erwerb des konkret Begünstigten nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG nach seinem Verwandtschaftsverhältnis zum Stifter – und damit meistens günstiger als nach der für den Erwerb von einer nicht verwandten juristischen Person anwendbaren Steuerklasse III – besteuert wird. Der BFH hat hierzu entschieden, dass die Steuerklassenfiktion eng wirkt und nicht etwa über die Berechnung der Steuer hinaus ein neues Zuwender-Empfänger-Verhältnis fingiert. Auch für den Fall der Aufhebung einer Familienstiftung hat der BFH als Zuwendenden die Stiftung und gerade nicht den Stifter angesehen.
Es wäre ein Leichtes z. B. für die Rechtsprechung gewesen, wie etwa bei Personengesellschaften, die als Zuwender und Empfänger im ErbStG ausscheiden und vollständig transparent sind, auch für die Familienstiftung Ähnliches anzunehmen. Eine dauerhafte Transparenz einer Familienstiftung ist im ErbStG aber niemals unterstellt worden, sondern äußerstenfalls bei – dort vorhandenen – ausgeprägten Sonderrechten des Stifters eine zeitlich zunächst über den Tag der Dotierung der Stiftung hinaus aufgeschobene Bereicherung der Stiftung. Sie soll in diesen Fällen ggf. erst später bei Erlangung der notwendigen, freien Verfügungsbefugnis steuerpflichtig eintreten.
Hintergrund ist auch, dass nach dem Grundverständnis des BFH juristische Personen bei Zuwendungstatbeständen nicht hinweggedacht werden können. So hat der BFH z. B. bei Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern bzw. den Gesellschaftern untereinander die vormalige Regelung der Finanzverwaltu...