Satzungsgemäße Leistungen von Familienstiftungen, unabhängig, wie im Einzelnen der Rechtsanspruch des Begünstigten ausgestaltet ist, begründen eine entsprechende Verpflichtung bei der Stiftung. Da die Stiftung beim vorher besteuerten Erwerb des Vermögens derartige satzungsgemäße Verpflichtungen nicht abziehen kann, ist es seit Jahrzehnten ganz hM und auch nie in der Rechtsprechung bestritten worden, dass satzungsgemäße Leistungen bei den Destinatären nicht nach dem ErbStG, sondern nur nach dem EStG steuerpflichtig sind.
Daraus entsteht auch keine Besteuerungslücke, denn die satzungsgemäßen Ausschüttungen werden (vgl. nachfolgend) gerade bei der Einkommensteuer erfasst. Die fehlende Steuerpflicht der Bezüge aus Stiftungen beruht bereits auf einer frühen Entscheidung des Reichsfinanzhofs. Bei Kipp heißt es:
Zitat
"... auch dann nicht, wenn infolge des Todes des bisher Bezugsberechtigten ein anderer eintritt. Der andere erwirbt nicht aus dem Vermögen des Verstorbenen. Er erwirbt aus dem Stiftungsvermögen unentgeltlich, aber nicht nach freiem Entschluss der Stiftungsverwaltung, sondern nach der vom Stifter gegebenen Satzung. Die Festlegung des Vermögens für den satzungsmäßig bestimmten Zweck ist aber bei der Errichtung der Stiftung versteuert."
Meincke verweist auf das neuere Urteil des BFH vom 3.11.2010 zur Einkommensteuerpflicht regelmäßiger satzungsgemäßer Leistungen aus einer Familienstiftung nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG. Danach sind die unentgeltlich erfolgenden Zahlungen vom Gericht als schenkungsteuerlich irrelevant eingeschätzt worden, "weil wegen der internen Verpflichtung der Stiftungsorgane aus der Sicht des Gerichts die Freigebigkeit fehlen soll".
Eine Ausnahme von der Steuerfreiheit satzungsgemäßer Leistungen, die für die Stiftung verpflichtend sind, wurde bereits zu dieser Zeit nur für unentgeltliche Zuwendungen ohne Erfüllung einer Satzungspflicht gemacht. An der genannten Stelle findet sich sogar der Hinweis darauf, dass Bezüge aus Familienstiftungen im (Vorläufer-)Gesetz von 1919 (dort § 20 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG) kurzfristig steuerbar waren, das Gesetz von 1922 aber bewusst auf die Besteuerung der Bezüge aus Familienstiftungen verzichtete, weil die im Gesetz von 1919 bestehende Befreiung des Erwerbs der Familienstiftung vom Stifter gerade 1922 entfallen war.
Entscheidend ist dabei die abstrakte Steuerbarkeit des Erwerbs der Familienstiftung vom Stifter, unabhängig davon ob es konkret aufgrund internationaler Bezüge zum deutschen ErbStG zu einer Besteuerung kommt. Die fehlende persönliche und sachliche Steuerpflicht von Stifter, Stiftungen und dem übergegangenen Stiftungsvermögen bei Dotierung der Stiftungen gibt deshalb keine Rechtfertigung, die Erbschaftsteuerfreiheit der satzungsgemäßen Leistungen einer Stiftung zu verneinen. Denn von der systematischen Entscheidung des Gesetzgebers ist auch die virtuelle Doppelbesteuerung geschützt, vorbehaltlich einer anderen Regelung.
Nach dieser Wechselwirkung müsste entweder der Erwerb der Stiftung steuerfrei bleiben; dann wären aber die Bezüge der Berechtigten aus der Stiftung steuerpflichtig. Oder – wie seit 1922 bis zum ErbStG 2009 (einschließlich) unverändert – der Erwerb der Stiftung vom Stifter ist steuerpflichtig, dafür aber sind es nicht die Bezüge des Berechtigten (von Einkommen) aus der Stiftung. Dieser Grundsatz ist damit vom Gesetzgeber bewusst als Junktim aufgestellt worden und auch von der Rechtsprechung und von der Literatur seit der insoweit unverändert geltenden Gesetzeslage von 1922 der Beurteilung zugrunde gelegt worden.