Familienstiftung – Besteuerung nach dem "entferntest Berechtigten" rechtswidrig?
Zu Lebzeiten eine "Familienstiftung" zu errichten und Geld- oder Sachvermögen auf sie zu übertragen, ist eine sinnvolle Variante für den Inhaber eines Vermögens, der Angehörige und Nachkommen von vornherein so absichern will, dass das Stiftungsgut von seinen persönlichen Risiken nicht betroffen wird und dass den von der Stiftung Begünstigten keine Mithaftung aus der Sphäre des Stifters droht. Wer dieses plant, wird dazu seinen steuerlichen Berater konsultieren. Dieser wird den Blick des Mandanten vor allem auf das in ZErb 10/2024, 378 (mit Anmerkung Uricher) abgedruckte und hier ebenfalls’zu kommentierende Urteil des BFH vom 28.2.2024 (AZ.’II R 25/21) lenken.
Der BFH hat sich hier zur Begründung einer – von dem Kläger als übermäßig empfundenen – Schenkungsbesteuerung auf den "Wortlaut des Gesetzes" (§ 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG) berufen, aber die gebotene Prüfung unterlassen, ob dieser "Wortlaut des Gesetzes" unter dem vorrangigen grundrechtlichen Aspekt steuerlicher Gleichbehandlung der Bürger rechtens ist. Denn dieser "Wortlaut" begründet den – bei der Einführung des Gesetzes offenbar nicht erkannten – Tatbestand einer steuerlichen Ungerechtigkeit aufgrund der Besteuerung auch von Personen, die durch § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG höher belastet werden, als wenn die Zuwendung an sie aus einer Stiftung oder schenkweise unmittelbar und nicht über eine Familienstiftung erfolgen würde. Für solche Fälle ist daher der dringende "Verdacht" begründet, der § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG verstoße insoweit gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG und "diskriminiere" die Empfänger aus Familienstiftungen, die dem Stifter steuerrechtlich näherstehen als die "entferntesten" Empfänger von Zuwendungen. Denn deren rechtlicher Schenkungs- und Erbbesteuerungsstatus wird in § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG auch für alle dem Stifter näher Stehenden in § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG fingiert.
Leider hat der BFH in seinem Urteil diesen für den "Verdacht" ursächlichen Wortlaut des § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG als ein nicht zu diskutierendes oder zu kritisierendes Tabu behandelt und davon abgesehen, auch die Frage von "gerecht" oder "ungerecht" seiner Entscheidung vor dem Hintergrund des Art. 3 GG kritisch zu hinterfragen. Das ist im Interesse aller dem Stifter steuerrechtlich näherstehenden Stiftungsempfänger zu beklagen.
Dieser Wortlaut des § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG bestimmt, für die Schenkungssteuer bei Übertragung von Vermögen eines Stifters auf seine Familienstiftung immer das (ggf. verwandtschaftliche) Verhältnis zwischen Stifter und dem ihm "Entferntesten" aus der Stiftung Berechtigten zugrunde zu legen, zudem gänzlich unabhängig davon, ob dieser Entfernteste schon geboren ist, jemals geboren wird und/oder jemals tatsächlich finanzielle Vorteile aus der Stiftung erlangen wird. Diese gesetzliche Regelung sowie eine darauf beruhende finanzgerichtliche Entscheidung, die die Steuerfestsetzung nach dieser Regelung bestätigt, billigt damit eine ungerechtfertigte und gegen Art. 3 GG verstoßende, daher grundgesetzwidrige Steuererhöhung zum Nachteil der aus der Stiftung Empfangsberechtigten, die dem Stifter verwandtschaftlich und damit auch schenkungs-/erbschaftsteuerrechtlich näher stehen als die "Entferntesten". Es kann nicht rechtens sein, die Besteuerung einer Schenkung für alle Empfangsberechtigten nach der Steuerklasse und dem Freibetrag zu bestimmen, die für den dem Stifter entferntesten, auch potenziellen, sogar noch ungeborenen und ungezeugten Begünstigten gilt. Denn sie erlegt Begünstigten, die dem Stifter verwandtschaftlich und schenkungssteuerrechtlich näherstehen als der/die "Entfernteste", eine ungleich höhere Steuerlast auf, als sie bei direkter Zuwendung an ihn entstünde. Diese Regelung ist daher schlicht als ungerecht zu bezeichnen. Sie beinhaltet zugleich eine steuerliche, das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG verletzende Diskriminierung der dem Stifter familiär näherstehenden aus seiner Stiftung Begünstigten.
Bei der gesetzgeberischen Formulierung dieses Wortlauts mag die daraus folgende Problematik nicht erkannt worden sein. Da nun aber auch die höchste steuerrechtliche Gerichtsinstanz den Wortlaut des Gesetzes im Sinne einer für jeglichen Begünstigten aus einer Familienstiftung geltenden Besteuerung nach Maßgabe des "entferntest Berechtigten" versteht, muss der dringende Ruf an den Gesetzgeber ergehen, hier eine Neuformulierung zu erarbeiten und zu verabschieden, die eine’differenzierte, individuelle Besteuerung entsprechend der schenkungs- und erbschaftssteuerlichen Nähe zwischen Stifter und den Begünstigten vorsieht und keinen Empfänger steuerlich diskriminiert. Es ist zuzugeben, dass diese Forderung entsprechende gesetzgeberische Formulierungskunst verlangt, zumal die Palette der denkbaren Empfänger von Stiftungsleistungen und die Zeitpunkte und -räume, zu denen sie Leistungen empfangen sollen, in der Praxis sehr differenziert sein können. Es erscheint aber unerträglich, sich hi...