1. Das gemäß den §§ 38, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beteiligten ist nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen.
2. In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet.
a) Das Nachlassgericht hat dem Erben auf Antrag ein Zeugnis über sein Erbrecht zu erteilen, § 2353 BGB. Der Erbschein bezeugt demnach das Erbrecht zur Zeit des Erbfalls (Palandt-Weidlich, BGB 70. Aufl. 2011 § 2353 Rn 2). Der Erbschein ist nur zu erteilen, wenn das Nachlassgericht die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, § 2359 BGB.
b) Ohne Erfolg wendet sich die Beteiligte gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts, ihr den beantragten Erbschein nach der Erblasserin zu versagen.
Die Beteiligte ist nicht aufgrund des notariellen Testaments der Erblasserin vom 26. Juli 1988 Alleinerbin nach ihr geworden; der Erbvertrag vom 22. Oktober 1940 steht entgegen.
aa) Die Rechtsposition des Erblassers verändert sich durch die erbrechtliche Bindung, die sich aus der vertraglichen Natur des Erbvertrags ergibt (Palandt-Weidlich, BGB 70. Aufl., § 1941 Rn 5), dahin, dass der Erblasser mit dem Erbvertrag von seiner Testierfähigkeit konkret Gebrauch macht und hieran grundsätzlich nichts mehr ohne Mitwirkung des Vertragspartners ändern kann. Eine einem Erbvertrag nachfolgende letztwillige Verfügung ist – außer im Falle der Rücktrittsberechtigung (§ 2297 BGB) – unwirksam, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde, § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Die im Erbvertrag nur einseitig getroffenen Anordnungen nehmen dagegen als solche nicht an der Bindungswirkung teil (§ 2299 BGB). Der Erblasser kann sie daher jederzeit, wie beim Testament, frei widerrufen (§ 2299 Abs. 2 BGB; Palandt-Weidlich, aaO, § 2289 Rn 1).
Ob eine vertragsmäßige (§ 2278 BGB) oder einseitige Verfügung vorliegt, ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln (Palandt-Weidlich, aaO, § 2299 Rn 1).
bb) Hiernach ist das Amtsgericht zu Recht zu der Annahme gelangt, dass es sich bei der Erbeinsetzung des Kindes aus der gemeinsamen Ehe F. G. nicht um eine einseitige, sondern um eine vertragsmäßige Verfügung handelt. Den vertragsschließenden Ehegatten kam es nämlich erkennbar darauf an, dass sämtliche Kinder, neben dem gemeinsamen Kind F. G. auch eventuelle künftige eheliche Kinder sowie das Kind der Erblasserin aus deren früherer Ehe, K. U., zu gleichen Teilen bedacht werden, weshalb davon auszugehen ist, dass der Ehemann der Erblasserin seine das Kind der Erblasserin begünstigende Verfügung nicht getroffen haben würde, wenn die Erblasserin nicht ihrerseits das gemeinsame Kind F. G. bedacht hätte.
c) Ohne Beanstandung hat das Amtsgericht auch angenommen, dass durch die "Herabstufung" des F. G. zum Vorerben durch das spätere notarielle Testament vom 26. Juli 1988 das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigt würde, mit der Folge, dass die Verfügung vom 26. Juli 1988 insoweit unwirksam ist, § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Hierbei hat das Amtsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung darauf abgestellt, dass die Beeinträchtigung zur Zeit des Erbfalls vorliegen muss und die spätere Entwicklung, nämlich ein Fortfall der Beeinträchtigung infolge Todes des beeinträchtigten Vertragserben F. G. (19. Februar 2011), außer Betracht zu bleiben hat.
Hiernach hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung des von der Beteiligten nachgesuchten Erbscheins zu Recht verneint und ist das hiergegen gerichtete Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 zurückzuweisen.
d) aa) Eine im Erbvertrag vom 22. Oktober 1940 vorhandene, im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung dahin zu schließende Lücke, dass sich die Erblasserin eine Änderung vorbehalten hätte, wenn sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrags hätte absehen können, dass ihr einziger Abkömmling, F. G., geistig behindert sein würde, hat das Amtsgericht zu Recht nicht angenommen.
Es mag unterstellt werden, dass die Erblasserin und ihr Ehemann diese Entwicklung nicht bedacht haben, der Erbvertrag insoweit als lückenhaft anzusehen ist und prinzipiell einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich wäre (vgl. OLG Schleswig FamRZ 2010, 1178).
bb) Bei der Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens ist der real feststellbare subjektive Wille zu Ende zu denken, also zu erforschen, was der Erblasser geregelt hätte, wenn er von der ergänzungsfähigen Lücke gewusst hätte. Auszugehen ist von den persönlichen Einstellungen des Erblassers, selbst von irrationalen. Dabei kommt es allein auf den Zeitpunkt der Errichtung an. Spätere Willensänderungen dürfen dabei nicht berücksichtigt werden. Einen neuen Entschluss kann der Erblasser nur durch Errichtung einer neuen oder Abänderung einer bestehenden Verfügung verwirklichen (Litzenburger in BeckOK Bamberger/Roth, BGB Stand: 1.3.2011, § 2084 Rn 42).
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