Leitsatz
Es entspricht nicht (mehr) den gesetzlichen Vorgaben des § 19 Abs. 2 KostO, im Rahmen der Geschäftswertfestsetzung bei der Bestimmung des Werts landwirtschaftlich genutzter Flächen auf das Vierfache oder einen anderen Mehrfachbetrag der Ertragsmesszahl abzustellen.
OLG Bamberg, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 6 W 36/11
Sachverhalt
Auf Antrag der Erbin hat das Nachlassgericht ihr einen Erbschein nur für Grundbuchzwecke erteilt. Der Nachlass beinhaltet ein Waldgrundstück sowie mehrere Grundstücke Ackerland. Im Rahmen des Verfahrens über die Erteilung des beschränkten Erbscheins gab die Erbin vor dem Nachlassgericht auch eine Versicherung an Eides statt ab.
Nach Erteilung des Erbscheins stellte die Kostenbeamtin des Amtsgerichts xxx der Erbin mit Kostenansatz vom 22.6.2011 für die Beurkundung einer eidesstattlichen Versicherung sowie für die Erteilung des beschränkten Erbscheins jeweils eine 1,0-Gebühr aus einem Wert von 42.783,– EUR in Rechnung, mithin jeweils 120,– EUR. Für das Waldgrundstück ging sie dabei bei 1.400 qm von einem Wert von 0,5 EUR/qm aus. Für das Ackerland legte sie die Ertragsmesszahl der jeweiligen Grundstücke zugrunde, multiplizierte diese mit 4 und teilte das Ergebnis durch 1,95583, um zum Grundstückswert zu gelangen.
Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Würzburg beanstandete dies mit Prüfungsbemerkung vom 26.9.2011, soweit es um den Wert des Ackerlandes ging. Er vertrat die Auffassung, zutreffenderweise hätte das Vierfache der Ertragsmesszahl als Wert herangezogen werden müssen, sodass das Ackerland insgesamt 82.304,– EUR wert sei. Ausgehend von dem sich dann ergebenden Gesamtwert von 83.004,– EUR forderte er die Kostenbeamtin auf, noch weitere 144,– EUR (zwei 1,0-Gebühren à 192,– EUR) zu erheben.
Mit dem jetzt angefochtenen Beschluss vom 12.10.2011 setzte daraufhin das Nachlassgericht den Geschäftswert für die Erbscheinserteilung auf 42.783,– EUR fest. Die auf den vierfachen Wert der Ertragsmesszahl abstellende Rechtsprechung stamme aus dem Jahre 1974 und gehe von DM-Werten aus; nach Umrechnung in EUR ergebe sich für das Ackerland daher ein Wert von 42.083,– EUR.
Hiergegen legten die Bezirksrevisoren bei dem Landgericht Würzburg namens der von ihnen vertretenen Staatskasse "Beschwerde gemäß § 31 Abs. 3 Satz 2 KostO" ein mit dem Antrag, den Beschluss vom 13.10.2011 (gemeint: 12.10.2011) als unzulässig aufzuheben. Bei der Prüfungsbemerkung handele es sich um eine Maßnahme im Rahmen der Aufsicht über den Kostenansatz gemäß § 43 KostVfg.; daher sei die Kostenbeamtin eindeutig weisungsgebunden. Eine Streitwertfestsetzung sei nicht beantragt worden, weshalb sie auch nicht in Betracht komme.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Insbesondere sei die Festsetzung des Geschäftswerts nach § 31 Abs. 1 KostO zulässig gewesen, da sie im vorliegenden Fall angemessen erscheine. Es bestehe nämlich Streit darüber, welcher Wert bei der Bewertung von Grundbesitz mittels der Ertragsmesszahl anzusetzen sei.
Aus den Gründen
Die Beschwerde ist gemäß § 31 Abs. 3 KostO statthaft, weil sie im angegriffenen Beschluss zugelassen worden ist. Die Frist des § 31 Abs. 3 Satz 3 iVm Abs. 1 Satz 3 KostO ist gewahrt. Die Staatskasse ist beschwerdeberechtigt (vgl. z. B. Assenmacher/Mathias, KostO, 16. Aufl. 2008, S. 183 "Beschwerden 1.1.4") und wird durch die Bezirksrevisoren bei dem Landgericht vertreten, § 4 Abs. 1 Nr. 7 a) VertrV.
Die sich im Zusammenhang mit der Kostenprüfung auf der Grundlage der Kostenverfügung eventuell stellenden Fragen sind dienstaufsichtsrechtlicher Natur und im Bedarfsfall auf dem hierfür vorgesehenen Weg zu klären. Im vorliegenden Verfahren sind sie dagegen gänzlich ohne Belang. Zur Entscheidung des Senats steht allein, ob die Festsetzung des Geschäftswerts durch das Nachlassgericht zu beanstanden ist. Dies ist vorliegend zu bejahen, weil jedenfalls inzwischen eine Geschäftswertermittlung anhand der Ertragsmesszahlen für landwirtschaftliche Grundstücke nicht mehr im Einklang mit § 19 Abs. 2 KostO steht.
1. In Nachlasssachen erfolgt die Bewertung nach den Vorschriften der Kostenordnung (vgl. § 1 KostO). Für das Verfahren zur Erteilung eines beschränkten Erbscheins ordnet § 107 Abs. 3 Satz 1 Hs. 1 KostO an, dass die Gebühren nach dem Wert der Grundstücke berechnet werden. Gemäß § 19 Abs. 2 KostO ist bei der Bewertung von Grundbesitz der letzte Einheitswert maßgebend, der zur Zeit der Fälligkeit der Gebühr bereits festgestellt ist, sofern sich nicht aus dem Inhalt des Geschäfts, den Angaben der Beteiligten, Grundstücksbelastungen, amtlich bekannten oder aus den Grundakten ersichtlichen Tatsachen oder Vergleichswerten oder aus sonstigen ausreichenden Anhaltspunkten ein höherer Wert ergibt; von einer Beweisaufnahme zur Feststellung eines höheren Werts soll abgesehen werden.
Die Regelung des § 19 Abs. 2 KostO stellt keine Sonderregelung zu § 19 Abs. 1 KostO dar, der als anzusetzenden Wert den Verkehrswert bestimmt. Vielmehr enthält § 19 Abs. 2 KostO den Ausgangspunkt der Wer...