1. Sachverhalt
Auf Grund eines Verkehrsunfalls mit unstreitiger Alleinhaftung des Gegners ließ der Geschädigte bei vom Sachverständigen festgestellten erforderlichen Reparaturkosten i.H.v. 7.189,10 EUR, einem Wiederbeschaffungswert i.H.v. 5.700 EUR sowie einem Restwert i.H.v. 1.800 EUR (jeweils incl. MwSt.) sein Fahrzeug vollständig und fachgerecht reparieren. Er legte entsprechend eine Reparaturrechnung über 7.178,64 EUR vor. Der beklagte Haftpflichtversicherer regulierte lediglich in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwandes (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) und vertrat die Auffassung, der höhere Anspruch nach dem Reparaturaufwand sei erst dann fällig, wenn der Geschädigte das Fahrzeug für einen Zeitraum von sechs Monaten weitergenutzt habe. Erst dadurch sei das erforderliche Integritätsinteresse nachgewiesen.
2. Sofortige Fälligkeit mit Rechtsgutsverletzung
Der BGH stellte nunmehr ausdrücklich fest, dass in einem 130-%-Fall nach Durchführung einer vollständigen und fachgerechten Reparatur der oberhalb des Wiederbeschaffungsaufwandes liegende Anspruch im Regelfall nicht erst sechs Monate nach dem Unfall fällig werde. Dies folge daraus, dass die Fälligkeit in der Regel sofort im Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung eintrete. Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass der Umfang der Ersatzpflicht des Schädigers in der Praxis regelmäßig erst nach einiger Zeit festgestellt werden könne, weil erst ein Sachverständigengutachten eingeholt oder die Rechnungsstellung durch die Reparaturwerkstatt abgewartet werden müsse. Selbst wenn einzelne Schadenspositionen zwischen den Parteien streitig seien und ihre Berechtigung in einem möglicherweise lange dauernden Rechtsstreit geklärt werden müsse, ändere dies nichts an der Fälligkeit des Schadensersatzanspruch, soweit er sich (später) als gerechtfertigt erweist, sowie an der Ersatzpflicht der Schädigerseite für den Verzugsschaden, wenn eine wirksame Inverzugsetzung vorliegt.
3. Sechsmonatsfrist keine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung, sondern Beweisindiz
Der BGH hat klargestellt, dass es sich bei dem – grundsätzlich auch im vorliegenden Fall gegebenen – Erfordernis einer Weiternutzung des Fahrzeugs für einen Zeitraum von sechs Monaten um keine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung handele, sondern die Frist lediglich eine beweismäßige Bedeutung entfalte. Die Weiternutzung für sechs Monate führe lediglich zu einem Indiz hinsichtlich des beim Geschädigten vorliegenden Integritätsinteresses. Eine weiter gehende Bedeutung hinsichtlich der Fälligkeit des Anspruchs komme der Frist hingegen nicht zu. An späterer Stelle des Beschlusses führt der BGH insoweit aus, dass durch die vom Geschädigten veranlasste Wiederherstellung des beschädigten Fahrzeugs der Wille zur Weiternutzung zunächst ausreichend belegt sei.
4. Interessenabwägung
Zu Recht weist der BGH in diesem Zusammenhang auf die anderenfalls unvermeidbare Folge einer für den Geschädigten unzumutbaren Regulierungspraxis hin, da er auf die Erstattung eines Großteils der bereits aufgewendeten Reparaturkosten einen Zeitraum von sechs Monaten zu warten hätte, ohne dass er durch eine Inverzugsetzung des Schädigers wenigstens eine Verzinsung der Forderung erreichen könnte. Die dadurch erforderliche Vorfinanzierung bzw. sogar ein Verzicht auf die Reparatur bei einem Geschädigten, dem eine solche Vorfinanzierung aus finanziellen Gründen nicht möglich ist, hätte eine erhebliche Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Geschädigten zur Folge.
Demgegenüber sei es dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer zuzumuten, das aus der sofortigen Fälligkeit resultierende Solvenzrisiko hinsichtlich eines etwaigen Rückforderungsanspruchs zu tragen. Der Haftpflichtige habe im Einzelfall zu entscheiden, ob trotz Reparatur Anhaltspunkte für einen fehlenden Willen des Geschädigten bestehen, das Fahrzeug weiter zu nutzen.