"… [3] 1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Nachfestsetzung sei unzulässig, da ihr die materielle Rechtskraft des Festsetzungsbeschl. v. 12. 2. 2009 entgegenstehe. Das LG habe über die Verfahrensgebühr rechtskräftig entschieden. Daran ändere nichts, dass der Kläger seinerzeit nur die Kosten der ermäßigten Verfahrensgebühr geltend gemacht habe. Mehr habe ihm nach der Rspr. des BGH nicht zugestanden. Das LG habe also nicht nur über einen Teil der Verfahrensgebühr entschieden, sondern über den Erstattungsanspruch in voller Höhe, so wie er dem Kläger zugestanden habe. Demnach bleibe kein Rest, der von den Wirkungen der Rechtskraft ausgenommen und daher einer Nachfestsetzung zugänglich wäre."
[4] 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Nachfestsetzungsantrag ist begründet. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr findet nicht statt (a). Einer Nachfestsetzung steht die Rechtskraft des Beschlusses des LG Chemnitz vom 12. 2 2009 nicht entgegen (b).
[5] a) Der BGH hat bis zur Einführung des § 15a RVG durch Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30.7.2009 entschieden, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 4 RVG VV Nr. 3100 auch im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen sei (vgl. grundlegend BGH NJW 2008, 1323 = zfs 2008, 288 m. Anm. Hansens = RVGreport 2008, 148 (Hansens)).
[6] Nach Inkrafttreten des § 15a RVG vertreten alle mit der Entscheidung befassten Senate des BGH teilweise unter Aufgabe ihrer bisherigen Rspr. die Auffassung, dass durch § 15a RVG lediglich eine Klarstellung der bisherigen Rechtslage erfolgt ist (BGH, Beschl. v. 2. September 2009 – II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 Rn 8; Beschl. v. 9.12.2009 – XII ZB 175/07, FamRZ 2010, 456 Rn 16; Beschl. v. 11.3.2010 – IX ZB 82/08, AGS 2010, 159 Rn 6; Beschl. v. 29.4.2010 – V ZB 38/10, AGS 2010, 263 Rn 8; Beschl. v. 10.8.2010 – VIII ZB 15/10, bei juris). Danach findet auch für Kostenfestsetzungen vor Inkrafttreten dieser Norm eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur unter den in § 15a Abs. 2 RVG genannten Voraussetzungen statt. Der VII. Zivilsenat schließt sich dieser Rspr. an und nimmt zur Begründung Bezug auf die Entscheidung des XII. Zivilsenats vom 9. Dezember 2009 (XII ZB 175/07, a.a.O.).
[7] b) Danach ist auf den Nachfestsetzungsantrag des Klägers eine weitere Verfahrensgebühr in Höhe von 318,68 EUR nebst Zinsen festzusetzen. Dieser Festsetzung steht nicht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschl. des LG vom 12. Februar 2009 entgegen.
[8] Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass Kostenfestsetzungsbeschlüsse der materiellen Rechtskraft fähig sein können (vgl. BGH NJW 2003, 1462). Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme, über den im Nachfestsetzungsverfahren geltend gemachten Teil der Verfahrensgebühr sei bereits entschieden. Dieser war nicht Gegenstand der Entscheidung vom 12. 2. 2009.
[9] aa) Die Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschl. bezieht sich nur auf die im Antrag geforderten und im Beschl. beschiedenen Beträge. Eine Nachforderung eines bislang nicht geltend gemachten Teils bezüglich desselben Postens hindert sie grds. nicht (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 103 Rn 12; PG/K. Schmidt, ZPO, 2. Aufl., § 103 Rn 27; MünchKommZPO/Giebel, 3. Aufl., § 104 Rn 128 f.; vgl. OLG Stuttgart MDR 2009, 1136, zur Nachfestsetzung der Umsatzsteuer; BVerfG, Rpfleger 1995, 476, zur Nachfestsetzung der Erhöhungsgebühr für Mehrvertretung). Dies deckt sich auch mit dem allgemeinen Verständnis der Rechtskraftwirkung bei offenen (BGH BGHZ 93, 330) und verdeckten Teilklagen (BGH BGHZ 135, 178). Danach ergreift die Rechtskraft des Urt. nur den geltend gemachten Anspruch im beantragten Umfang; eine Erklärung des Klägers, er behalte sich darüber hinausgehende Ansprüche vor, ist nicht erforderlich. Soweit ein Antrag nur beschränkt geltend gemacht worden ist, ist grds. über den überschießenden Teil nicht entschieden.
[10] bb) Soweit in der Rspr. von diesen Grundsätzen Ausnahmen gemacht worden sind (vgl. dazu BGH BGHZ 135, 178, 182 m.w.N.), handelt es sich um besonders gelagerte Sachverhalte, deren Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Kläger hat insb. durch seinen Antrag nicht zum Ausdruck gebracht, dass er eine abschließende, eine Nachforderung ausschließende Entscheidung über die Berücksichtigung der Verfahrensgebühr nur in gekürztem Umfang haben wollte. Allein der Umstand, dass er auf der Grundlage der damals gefestigten Rspr. davon ausging, ihm stünde nur eine gekürzte Gebühr zu, rechtfertigt diese Annahme nicht. Etwas anderes kann auch nicht aus der Entscheidung des V. Zivilsenats des BGH NJW 2003, 1462 hergeleitet werden. Diese Entscheidung befasst sich lediglich mit der Auslegung eines Kostenfestsetzungsbeschl. hinsichtlich des Zinsanspruchs und kann zu der hier entscheidungserheblichen...